Ortsbeschreibung von Grossbettlingen 1848 PDF-Logo

aus der Oberamtsbeschreibung von Nürtingen

Seite 158 bis 160
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10. Groß-Bettlingen

evangelisches Pfarrdorf, Gemeinde III. Cl. mit 687 Einwohnern (dar-
unter 1 Katholik), 1 3/8 Stunde südsüdwestlich von Nürtingen.
Die Markung Groß-Bettlingen ist sehr uneben und hügelig, von
dem Authmuth-Thal und dessen Seitenthälchen und Nebeneinschnitten
durchfurcht; der Boden gehört zu den weniger ergiebigen; schwer,
mit vorherrschendem Lehm, ist er mehr für Dinkel und Haber,
besonders für letzteren, weniger für Gerste gedeihlich. Bei der
Bodenbeschaffenheit und unebenen Lage der Felder ist der Bau
beschwerlich, für welchen durch sorgfältigere Zurathhaltung der
Besserungsmittel noch mehr geschehen könnte. Die Ausdehnung
des Feldbaues steht übrigens zu der Bewohnerzahl in einem min-
der ungünstigen Verhältniß als in Grafenberg, Frickenhausen etc.
Es gibt einzelne sehr geringe, dabei schwer belastete Güter, die
fast nichts werth sind, doch steigen die Preise der bessern Aecker
bis auf 600 fl. Unter den verschiedenen Erzeugnissen ist der Hanf
zu nennen, der viel und gut gebaut wird. Der nicht selten
Ueberschwemmungen ausgesetzte Wiesgrund ist sehr gut und er-
giebig; Wiesenpreise 150, 300-600 fl. Der Weinbau ist in je-
der Hinsicht ziemlich gering, die Obstzucht dagegen ausgedehnt,
im Zunehmen begriffen und von der Gemeindeverwaltung mit
Aufmerksamkeit gepflegt. Der Zustand der Rindviehzucht kann
blühend genannt werden; verhältnißmäßig werden viel Stiere ge-
halten, da der Pflug gewöhnlich mit zwei Paaren bespannt werden
muß. Die Schweinezucht ist die stärkste im Oberamt und ein
namhafter Erwerbszweig. Die Schafzucht (Landschafe und Bastarde),
anderwärts im Abnehmen, wird von einzelnen hiesigen Bürgern
in etwas größerer Ausdehnung als früher betrieben; der Weide-
pacht erträgt der Gemeinde 400 fl.

 Der Wohlstand der Einwohner ist ein mittlerer und ziemlich
[159] gleichmäßig; es gibt keine reiche, aber auch sehr wenig ganz arme
Leute. Mehr als in manchen Nachbarorten hält man sich hier
noch an alte Tracht und Sitte. Gewerbe sind Nebensache und
bloß lokal. Nebenerwerb bietet sich nicht dar und wird nicht auf-
gesucht, außer daß zur Erntezeit die Aermeren auswärts gegen Tag-
lohn arbeiten. Schildwirthschaften bestehen zwei. Die Gemeinde
besitzt ein Back- und Wasch-Haus und hat 134 Morgen Laubwald,
davon ein Distrikt von Altdorfer und Bempflinger Markung ein-
geschlossen ist; dabei bleibt das Holz immer ein sehr fühlbares
Bedürfniß der Bewohner. Sämmtliche Zehnten, mit Ausnahme
des der Pfarrei zustehenden kleinen, bezieht der Staat. Die
Reallasten, größtentheils dem Staat zu entrichtende Fruchtgülten
und Hellerzinse, sind nicht unerheblich.

 Der größere Theil des Dorfs ist einem ziemlich steilen süd-
westlichen Abhang hinangebaut. Die Kirche mit dem 1831 sehr
erweiterten Begräbnißplatz liegt auf der Höhe; sie ist aus der
zweiten Hälfte des 15ten Jahrhunderts (die Jahreszahl 1497 am
Chor) und hat ein freundliches Innere, aber ein unscheinbares,
niedriges Glockenhaus. Eigenthumsrecht und Baulast hat der
Ortsheilige. Weiter unten im Dorf steht das 1716 erbaute Pfarr-
haus, welches dem Staat gehört. Das Rathhaus, 1812 erbaut,
ist ein geräumiges Gebäude. Hoch und schön liegt das 1828 auf-
geführte Schulhaus; es arbeiten an der Schule ein Lehrer und
ein Lehrgehülfe. Hinlängliche, gute Quellbrunnen sind vorhanden,
an Verbindungsstraßen aber mit der Nachbarschaft und guten
Wegen fehlt es, mit Ausnahme des Fahrwegs nach Nürtingen.

 Nordöstlich über dem Ort erhebt sich der Geigersbühl (in
Lagerbüchern auch „Geyersbühl“), auch die Bettlinger Spitze
genannt, ein zwar nicht sehr hoher, aber für eine ausgebreitete,
höchst reizende Aussicht glücklich gelegener Punkt, dessen Panorama
vor dem des Grafenberges, der allerdings die Gegend in weiterem
Umfang beherrscht, wenigstens den Vorzug behauptet, daß hier
die Alpkette weniger nahe vor das Gesicht tritt und daher mehr
in ihrer großen Ganzheit überschaut werden kann. Einige Linden-
und Nußbäume auf dem Gipfel erhöhen durch ihren kühlenden
Schatten die Annehmlichkeit dieses Standpunktes.*

 Die Mühlwiesen in einem flachen Thaleinschnitt zwischen
hier und Raidwangen haben ihren Namen von einer jetzt ver-
schwundenen Mühle. Wegen des abgegangenen Ortes Heudorf
[160] s. Raidwangen. Es kommt ein Heerweg vor, welcher der Rich-
tung nach mit der Hochstraße von Grafenberg auf eine Verbindung
mit Metzingen und Neckarhausen deuten könnte.

 In (Groß-oder Klein-) Bettlingen (Bettlinga) schenkt Ber-
thold von Boihingen dem Kloster Hirschau um 1130 eine Hube (Cod.
Hirs.S.62, ed. Stuttg.) Kloster Denkendorf besaß allhier den
Zehnten aus sieben Jauchart Acker (Schmidlin, Beiträge 2, 70).
Die übrigen Zehten standen 1525 der Ortspfarrei zu, welche
die Herrschaft zu verleihen hatte. Damals gehörte der Ort in
das Gericht zu Grafenberg. Hermann von Salbadingen, Stadt-
schreiber zu Reutlingen, verkaufte 1373 an Conrad von Glaheim
zwei Güter zu Groß- und Klein-Bettlingen, die dieser 1386 mit
einigen zu Thailfingen an unserer Frauen-Messe zu Urach vergibt. .

 Groß-Bettlingen ist mit Neuffen im Jahr 1301 erworben
worden..

 *Unser vaterländischer Dichter Eduard Mörike hat ein anziehen-
des Gemälde von dem Geigersbühl und seiner Aussicht in die Novelle
„Maler Nolden“ verflochten. Thl. II.S 443 ff.