Ortsbeschreibung von Altenriet 1848 PDF-Logo

aus der Oberamtsbeschreibung von Nürtingen

Seite 141 bis 144
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4. Altenrieth

Dorf, Gemeinde III. Cl. Mit 499 evangelischen Einwohnern, Filial von
Schlaitdorf OA. Tübingen, 2 ¾ Stunden westsüdwestlich von Nür-
tingen (Forstamt und Dekanat Tübingen). Die Markung Altenrieth
gehört dem Bergrücken an, durch welchen das Neckarthal von dem
der Schaiach (Schaich) und Aich geschieden ist. Sie wird östlich von dem [142]
Thalrand des Neckars, nördlich von der Schlucht des Höllbachs
begrenzt, hat reine trockene Luft und einen für Getreidebau gut
geeigneten , doch nicht sehr tiefgründigen Lehmboden. Dinkel wird
in besonderer Güte gewonnen und vortheilhaft verwerthet, auch
ziemlich viel Flachs gebaut. Im Ganzen könnte übrigens für Ver-
besserung des Feldbaus mehr gethan und die Düngungsmittel besser
zu Rath gehalten werden. Die Wiesen sind zum Theil sehr gut,
die gegen den Höllbach gelegenen aber von geringer Beschaffenheit.
Die Preise der Aecker und Wiesen sind sehr verschieden; die besten
werden bis zu 600 fl. der Morgen bezahlt. Beträchtlich ist die
Obstzucht, besonders der Mostsorten; es wird in guten Jahren
eine bedeutende Quantität Most nach Außen verkauft. Der Wein-
bau dagegen ist nach Güte und Menge des Ertrags gering; der
Morgen Weinberg kostet 250- 300 fl. Der Rindviehstand kommt
allmählig durch bessere Nachzucht empor, ebenso Schweine. Ein
wichtiger Erwerbszweig für den Ort, der besonders den ärmeren
Bewohnern theilweise ihr Auskommen erleichtert, sind die schönen
Steinbrüche auf hiesiger Markung, aus welchen vorzügliche
Bau-und Mühl-Steine gewonnen und auswärts abgesetzt werden.
Die Gewerbe sind ganz unbedeutend. Die Gemeinde besitzt ein
Backhaus. Schildwirtschaften ist eine vorhanden. - Unter den
Einwohnern gibt es einzelne Wohlhabende; die Mehrzahl aber ist
mehr oder weniger unbemittelt. Die Gemeinde besitz einen von
der Markung getrennten Waldantheil von 100 Morgen 21 Ruthen
am Schönbuch, welchen die Gemeinde durch einen Vertrag mit
der Staatsfinanzverwaltung im Jahr 1834 erworben hat, und
dessen gesammter Ertrag als bürgerliche Holzgabe vertheilt wird.
Der Pacht der geringen Schafweide erträgt nur 139 fl. Den
großen und Wein-Zehnten bezieht der Staat, den Obst- und
kleinen Zehnten die Pfarrei Schlaitdorf, und seit deren Besol-
dungsverwandlung ebenfalls der Staat. Der Heu-Zehnten ist ab-
gelöst.

  Das hochgelegene Dörfchen ist mit seiner kleinen freundlichen
Kirche weit umher sichtbar. Besonders genießt man von dem
sogenannten Krähschnabel bei dem Fußweg nach Neckar-Tenzlingen
einen ausgezeichnet schöne Aussicht in das Neckar-und Erms-Thal
und nach der Alpkette, vom Lochen und Hohenzollern bis zum
Hohenstaufen. Die Kirche (zu St. Ulrich und Katharina) am öst-
lichen Ende, vom Begräbnißplatz umgeben, ist 1738 zum größeren
Theil neu erbaut; der Chor aber scheint um 1500 erbaut worden
zu seyn. Die Baulast hat die Stiftungspflege und subsidiär die
Gemeinde. Der Pfarrer von Schlaitdorf hat hier regelmäßig an[143]
Sonntagen und Feiertagen Vormittagsgottesdienst zu halten. Mit
Schlaitdorf steht Altenrieth erst seit 1684 im Filialverband, nach-
dem sich der frühere mit Neckar-Tenzlingen in Folge langwieriger
Streitigkeiten aufgelöst hatte. Für die Schule ist ein neues
Gebäude im Werke. Das Rathhaus ist ziemlich alt und unan-
sehnlich. Wasser hat der Ort ungeachtet seiner hohen Lage hin-
reichend.

  Die jetzt mit zertrümmertem Mauergestein bedeckte Stelle der
Burg Neurieth, des ehemaligen Sitzes der Dürner von Dürau,
von welcher vor ungefähr 20 Jahren noch ein bis auf 15´ abge-
tragener Thurm gestanden hatte, ist kenntlich an drei hohen
malerischen Eichen auf einem steilen Hügelvorsprung über dem
Eintritt des Höllenbachs in`s Neckarthal. Noch hat das ehemalige
Neuriether Schloßgut (60 Morgen Aecker und 16 ½ Morgen Wiesen)
neusteuerbare Eigenschaft.-- In der Nähe dieser Trümmerstätte
wird am Palmsonntag der sogenannte Bretzelmarkt (Brezelmarkt)(s.o.S 49)
gehalten, woran das Volk die Sage knüpft, daß dieß eine Erin-
nerung an ein jährliches Fest sey, welches der Burgherr auf Neu-
rieth der Jugend zu geben pflegte. * 1.)

  Durch das Gesetz vom 6. Juli 1842 wurde Altenrieth. früher
immer ein Amtsort von Tübingen, mit dem diesseiten Bezirk
vereinigt.

  Im Jahr 1446 ertauschte Graf Ulrich von Württemberg von
Wilhelm Dürner von Dürnau so viel ihm an Altenrieth gebührte
gegen Eignung eines Hofs in Wolfschlugen und andere Lehengüter
(Sattler Topogr. 308), desgleichen im Jahr 1473 Juli 15. Graf
Eberhart von Württemberg von Graf Jost Nicolaus von Zollern
hiesige Güter (Scheffer S.. 65). Zwei Lehenhöfe allhier besaß Kloster
Denkendorf (Schmidlin Beitr. 2, 70). Altenrieth, früher Rieth,
und nachdem Neuenrieth aufgekommen, zum Unterschiede von
diesem Altenrieth, hatte auch eine Burg und eigenen Adel. Jene
stand bei der Kirche; noch sind Wall und Graben sichtbar. Diether
von Rieth, ein Edelknecht, wird 1340 genannt. Lutz von Riete
(einen Hund im Wappen) und Agnes von Nellingen seine Hausfrau,
verkaufen 1344 dem ehrsamen Mann Friedrich dem Herter von
Schiltecke ihren Theil des Burgstalls und alle ihre Güter zu Rieth[144]
um 180 Pfd. Heller für frei und eigen. Unter den Bürgern sind
Trutwein von Riete und Peter von Riete, Edelknechte. Graf
Eberhard von Württemberg bekennt sofort, da die Güter in seiner
Grafschaft gelegen seyen, das Frau Agnes dieselben, die sie von
ihrem Mann als Morgengabe empfangen, „an des Reiches offener
Straße mit rechter Vrtail, als sie`s sieben Ritter wiseten und
lerten,“ dem Herter aufgegeben habe. Has Herter, ein Edel-
knecht, übergibt 1404 seinen „Burgstall zu Riet im Dorf heruff
ob der Kaibenmühlin gelegen“ und alle seine Güter im Dorf dem
Kloster Denkendorf, das ihm dieß auf seine Lebenszeit zur Nutz-
nießung überläßt und ihm Verpflegung am Tische der Capitels-
herrn verspricht. Seine Schwester Agnes verzichtet sofort gegen
32 Pfd. Heller auf ihre Rechte an diese Güter. Eilf andere Güter
im Dorfe treffen wir in den Händen des Edelknechtes Benz Kayb
zur Mühle, welcher 1365 verspricht, von denselben jährlich 11
Pfd. Heller den im Kloster Sirnau befindlichen Töchtern seines
Bruders Hermann, Agnes und Beth, zu reichen. Außer Den-
kendorf besaßen 1523 in Altenrieth die Barfüßer in Reutlingen,
das Kloster Pfullingen, die Marienpfründe zu Tenzlingen, der
Heilige zu Aich, die Pfründe zu Altenrieth, ein in Nürtingen
und das Kloster zu Sirnau je ein Lehengut (s. auch Neckar-
Tenzlingen). - Die Kirche in Altenrieth wird schon 1365 ge-
nannt. Der große Zehnte mit einem Widumhof stand wegen
Tenzlingen dem Stifte Oberhofen zu. Das Dorf gehörte zur
Vogtei Tübingen.

  Wann. und von wem die Burg Neuenrieth erbaut wurde,
ist unbekannt. Württemberg belehnt 1378 mit Burg und Dorf
Rieth (d.h. einem Theil des letztern) und mit Gütern zu Tenz-
lingen und Wolfschlugen Berthold von Stein, Burkhards von Stein
von Arnecke Sohn; 1398 empfängt dieses Lehen Reinhards von
Münchingen, 1404 Ritter Burkhard Schilling, 1423 Georg Dürner
von Dürnau. Gräfin Beatrix von Helfenstein geb. Gräfin von
Montfort, wird zwar 1448 als Käuferin belehnt; sie scheint aber
den Kaufschilling nicht aufgebracht zu haben, worauf der Barbara von
Ow das Gut, das sie von Lorenz und Sigmund Kraft erworben,
1466 geeignet wurde. 1484 war Ludwig Haffenberg im Besitz.
Aus einem Berichte von 1535 erhellt, daß das Schloß im Bauernkrieg
verbrannt worden und daß der letzte Besitzer Junker Hans Spengler
von Tübingen gewesen sey. Den darunter gelegenen Hof Neuen-
rieth hatte ein Maier im Besitz.

1.) Nach der Volkssage haust auf dieser Stätte ein Kobold, der seit
Wegräumung der Gemäuers bei strenger Kälte etc. sehr mißmuthig seyn
soll. In einem der anmuthigen Wäldchen auf der Markung von Neckar-
Thailfingen befinden sich gespenstige Fräulein, die mit dem Kobold in Ver-
hältissen stehen.