Ortsbeschreibung von Beuren 1848 PDF-Logo

aus der Oberamtsbeschreibung von Nürtingen

Seite 146 bis 149
[146]

6. Beuren

evangelisches Pfarrdorf, Gemeinde II. Cl. mit 1748 Einwohner, 2 ½
Stunden südöstlich von Nürtingen. In einem südlich und östlich
von dem Steilrand der Alp und seinen Vorbergen eingeschlossenen,
nordwestlich sich öffnenden Kessel liegt Beuren mit seiner zwar
ausgedehnten, aber zur Hälfte aus Wald und Weiden bestehenden,
daher für die zahlreiche Bewohnerschaft unzulänglichen Markung,
welche sich nordwärts bis in das Tiefenbachthal und über dasselbe
hinaus erstreckt. Der Fruchtbau ist verhältnißmäßig sehr beschränkt
und fast nur auf Dinkel und Mischling gerichtet. Von den Brach-
erzeugnissen sind Flachs und Hanf belangreich. Die Ackerpreise
stehen hoch; ein Morgen geringerer Lage wird mit 200 fl., ein guter
mit 500 fl., die besten sogar mit 800-1000 fl. bezahlt. Um mehr
als das Doppelte augedehnter ist das Wiesenareal, aber von sehr
verschiedenem Ertrag; die Preise sind etwas niedriger als die der
Aecker. Ueber die Hälfte der Wiesen sind mit Obstbäumen be-
pflanzt. Die durch Berge geschützte Lage, der geeignete Boden
und der Fleiß der Bewohner haben die Obstcultur auf eine Höhe
gehoben, welche Beuren in dieser Hinsicht unter die ersten Ge-
meinden des Landes stellt. Der Obstwald, welcher den ganzen
vorhin bezeichneten Thalkessel ausfüllt, gewährt besonders zur
Blüthezeit einen herrlichen Anblick. Nicht nur alle Arten von
Kernobst, sondern selbst die feineren Sorten des Steinobstes ge-
deihen hier, der Alpnähe ungeachtet, selbst in minder günstigen
Jahren. Vor Allem aber sind es die Kirschen, die gemeinen so-
wohl als die feinen Tafelsorten (Herzkirschen), welche einen Haupt-
erwerbszweig des Ortes ausmachen. Es gab Jahre, wo allein aus
Kirschen über 6000 fl. erlöst wurden. Das Kirschenwasser, welches
hier in großer Quantität fabricirt wird, ist weit und breit be-
liebt und geht vielfältig auch in das entfernte Ausland. Minder
offenkundig wird der Handel mit Kirschensaft betrieben, dessen sich
die Weinhändler als Färbestoffes bedienen. Sämmtliche Obstgat-
tungen werden sowohl grün als gedörrt, die Kirschen namentlich
nach Bayern, ausgeführt. Die Bäume werden weniger von aus-
wärts geholt, als in den eigenen Weinbergen nachgezogen. Die
Ortsvorgesetzten nehmen sich dieses Culturzweiges eifrig an. Auch
der Weinbau ist nicht unbeträchtlich; die Weinberge sind nach der
Weise dieser Gegend stark und zwar vorherrschend mit Sylvanern
und Elbling besteckt und sehr ergiebig (bis zu 16 Eimern vom Mor-
gen). Das Erzeugniß übertrifft bisweilen in trockenen und war-
men Jahrgängen, wie 1834, selbst die Weine mancher besseren
[147] Orte des Unterlandes, ist aber gewöhnlich von leichter Qualität
und findet seine Käufer meistens in den Alporten. Auch wurden
wenigstens früher, im Herbst viele Trauben in`s Oberland verkauft

  - Ein namhafteres Emporkommen der Rindviehzucht wäre zu
wünschen; ihrer größeren Ausdehnung steht der beschränkte Grund-
besitz im Weg. Schafzucht wird von einigen Schäfern, nicht von
den Bürgern betrieben; der Weidepacht erträgt für die Gemeinde-
kasse 600 fl. Früher wurden viele Ziegen gehalten, woher man
die Benennung des Ortes Gaisbeuren zum Unterschied von
anderen Beuren, herleiten will. Die Bienenzucht wird mit Glück
betrieben und ist im Zunehmen.

  Die Bewohner kündigen sich schon durch ihr Aeußeres als ein
von den Thalbewohnern merklich verschiedener Menschenschlag an;
sie sind größer, kräftiger und im Ganzen mehr wohlgebaut, auch
sind dunkle Haare hier häufiger als im Thal; die Mundart ist
schon mehr oberländisch, die Anhänglichkeit an das Alte und Her-
gebrachte noch allgemeiner, was sich auch in der Tracht zeigt. Der
Charakter erscheint bei oberflächlicher Bekanntschaft etwas rauh und
derb; dagegen rühmt man große Betriebsamkeit, Wirthschaftlich-
keit und dabei mildthätigen Sinn gegen Nothleidende. Der sitt-
lich religiöse Zustand gehört zu den befriedigenden der Gegend.
Aber nur sehr mittelmäßig sind im Allgemeinen die ökonomischen
Verhältnisse. Das Grundeigenthum, namentlich das Ackerland,
ist wie bemerkt, sehr beschränkt und zerstückelter als in irgend
einer Gemeinde des Oberamts. Um so eifriger werden die vorhin
genannten Erwerbszweige cultivirt, außerdem auch das Spinnen,
Weben, das Arbeiten um Tagelohn zur Aerntezeit in auswärti-
gen, selbst entfernten Orten, von armen Leuten das Beerenlesen,
Kräutersammeln ec. fleißig betrieben. Sonst ist der Gewerbefleiß
Nebensache. Es findet sich eine Mahlmühle, eine Bleiche, zwei
Schildwirthschaften und ein Gemeindewaschhaus. Die Gemeinde
hat einen ansehnlichen Waldbesitz. Der Großzehnt wird dem
Staat, Kleinzehnt keiner entrichtet, oder vielmehr ein sehr un-
bedeutendes Geldsurrogat zu 15/16 dem Staat, zu 1/16 dem Orts-
heiligen geliefert, s. hienach. Auch von den Wiesen sind nur 113 6/8
Morgen zehntbar. Einen k(l)einen Zehnttheil hat der Ortsheilige.

  Der Ort wird von der ¼ Stunde oberhalb entspringenden
sogenannten Beurener Steinach durchflossen, mit welcher sich unter-
halb die vom Fuße des Schloßberges herkommende Stockach ver-
einigt. Er nimmt sich von den benachbarten Höhen gesehen gut
aus, ist etwas eng gebaut, aber freundlich und reinlich. Die
Pfarrkirche am westlichen Ende des Ortes ist für die bedeutende
Anzahl der Gemeindeglieder, da auch Balzholz hieher eingepfarrt
[148] ist, nicht groß genug, aber hübsch im Innern und mit einer neuen
guten Orgel von Gruol versehen. Ihre Bauart ist gothisch; da-
neben in einem capellenartigen Raum mit gemalten Wänden und
Gewölben befindet sich ein Oelberg aus Sandstein, ganz dem
Neuffener (s.d.) ähnlich, aber leider sehr verstümmelt. Der Chor
trägt die Jahrzahl 1519, die Kirche aber mit dem Oelberg scheint
älter zu seyn. Die Baulast hat der ziemlich vermögliche Heilige
zu tragen. Hinter der Kirche befindet sich der Begräbnißplatz und
neben demselben das dem Staat gehörige Pfarrhaus. Bis 1726
war der hiesige Geistliche zugleich Festungspfarrer in Hohenneuffen.
Die Schule hat 3 Lehrer und 2 Lokale, eines oben im Ort, weit
von der Kirche, das sogenannte heilige Haus, das andere (die
Knabenschule) an der Kirche. Das Rathhaus ist ein altes, neuer-
dings renoviertes Gebäude. Auch besteht eine Industrieschule und
ein Armenhaus. Sechs gute Rohrbrunnen versehen den Ort reich-
lich mit gutem Trinkwasser. Durch Beuren führt die Vicinal-
straße aus dem Neuffener Thal nach Owen, und die vor einiger
Zeit sehr gut angelegte Alpstraße nach Erkenbrechtsweiler, Graben-
stetten ec. Ein kleiner See von ¾ Morgen ist oberhalb des Ortes
für den Fall einer Feuersgefahr angelegt,-- Von den Bergkegeln,
welche dem Nordrand der Alp in dieser Gegend in so großer Zahl
vorgelagert sind, machen sich auf hiesiger Markung das Hochböll,
der Spitzberg und der Engelberg besonders bemerklich. Letzterer
trug ein schon vor der Reformation verschwundenes Frauenkloster,
das nur noch in der Sage und dankbaren Erinnerung der Beu-
rener lebt, indem ihre Kleinzehntfreiheit ein Geschenk der guten
Frauen gewesen seyn soll. Der Palmesel des Klosters sey in das
vorhin genannte “heilige Haus“ (dem Aussehen nach ein alter
Klosterhof) gebracht worden, wo noch jetzt ein aus Holz gut geschnitz-
tes Bild, Christus auf einem Esel reitend, zu sehen ist. Später stand
auf dem Engelberg eine Wallfahrtscapelle. Oestlich vom Engelberg,
auf den sogenannten Weiler-Aeckern, an der Kirchheimer OA.
Grenze scheint ein abgegangener Ort gestanden zu haben. - Der gran-
diosen Ansicht, die man von dem äußersten Vorsprung des zu bei-
den Seiten in jähe Tiefen abfallenden Felsgrates, „der Beurener
Fels“ auch der Kalbssprung genannt, genießt, ist bereits S. 11
gedacht worden. Dieser Fels gilt für eine Wetterscheide. -- Noch
sind die auf hiesiger Markung befindlichen Kalkstein- und Lehm-
Gruben zu erwähnen, welche zum Theil die Umgegend versorgen.

  Beuren kam im Jahr 1301 mit Neuffen an Württemberg.
Herzog Friedrich von Oesterreich machte zwar Ansprüche an den
Ort, leistete jedoch mit seinen Geschwistern im Jahr 1304 Juli 25.
hierauf förmlich Verzicht, wogegen unter diesem Tag Graf Eberhard
[149] von Württemberg gelobte, er wolle in der Mark des Dorfes zu
Beuren keine Veste noch Burg bauen (Arch.Urk.)

  Die Kirche in Beuren wurde im Jahr 1401 von der Mutter-
kirche Nürtingen getrennt. *

  Nach dem Kellereilagerbuch von 1526 bestand damals neben der
Pfarrei eine Frühmesse in der Pfarrkirche und eine Caplanei auf
dem zuvor erwähnten Engelberge. Das Patronat stand nebst dem
großen Zehnten (woran übrigens auch der Ortsheilige und die
Pfarrei Nürtingen Theil hatten) der Herrschaft zu. Für den kleinen
Zehnten entrichtete die Gemeinde derselben 26 Pfd. Heller; die
vorerwähnte Sage von demselben scheint daher nicht gegründet zu
seyn. Das Lagerbuch gedenkt auch einer Badstube und eines
„Judengäßlens“ im Dorf, und führt Neubrüche an, die im
„Burkholz“ liegen. Wenn auch diese Burg vor 1304 (oben)
abgegangen war, so scheint doch nachmals wieder ein Schloß erbaut
worden zu seyn, da wir bei Gabelkhover eine Notiz finden, wo-
nach ein Konrad Schorpp von Freudenberg, der damals dieses
Beuren inne gehabt, 1467 aus dem Schlosse daselbst die Gattin
eines Marschalls von Pappenheim beraubte, weßwegen Graf Eber-
hard von Württemberg sein Schloß eingenommen und ihn zur
Rückerstattung des Geraubten angehalten habe
* Gabelkh. -- Herkommen und Brauch des Dorfes zu Beuren, s.in
Fischer Gesch. der Deutschen Erbfolge 238
Fischer, Friedrich Christian Jonathan: Versuch über die Geschichte
der teutschen Erbfolge. 2 Bände. Mannheim, C. F. Schwan, 1778. 10 Bl.,
292 S., 1 Bl.; 4 Bl., 344 S.