Ortsbeschreibung von Frickenhausen 1848 PDF-Logo

aus der Oberamtsbeschreibung von Nürtingen

Seite 152 bis 155
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8. Frickenhausen

evangelisches Pfarrdorf, Gemeinde II. Cl. mit 1334 Einwohnern
(darunter 6 Katholiken, Filialisten von Unter-Boihingen), 1 1/8
Stunde südlich von Nürtingen, an der Steinach und der Straße
von Nürtingen nach Neuffen und auf die Alp.

  Frickenhausen hat eine angenehme und freundliche Lage im
Steinach- oder sogenannten Neuffener Thal, das sich hier gegen
Nürtingen erweitert. Die Felder der verhältnißmäßig sehr be-
schränkten Markung liegen theils im Thal, theils an den flachen
Hängen und auf den Höhen zu beiden Seiten, sind sehr parcellirt,
aber um so fleißiger angebaut, und mit Reallasten nur unbedeu-
tend belegt. Im Jahr 1844 hat die Gemeinde Gülten und Heller-
zinse im Capitalbetrag von 3485 fl. abgelöst. Der Boden im
Thal ist flachgründig mit kiesiger Unterlage; rechts und links
wechseln Mergel mit Lehm und Thon. Der Fruchtbau ist übri-
gens ein sehr untergeordneter Nahrungszweig und bei weitem
nicht zureichend. Viel wichtiger, ausgedehnter und an vorzüglichem
Futter ergiebig ist der Wieswachs, dessen Ertrag zum Theil
auch nach außen und an die Schafhalter verkauft wird. Die [153]
gegenwärtigen Aeckerpreise sind: 200, 300-450 fl. Die Wiesen-
preise 280, 300-500 fl. Weinbau wird auf 67 Morgen an
zwei sehr sonnigen Halden, zwar nicht mit gleicher Ergiebigkeit
wie in Beuren, aber hinsichtlich der Güte des Erzeugnisses mit
demselben Erfolge betrieben. Der Wein ist nicht so bald trinkbar
und angenehm wie der Linsenhofer, aber haltbarer und auf der
Alp und in der Gegend von Urach besonders beliebt; die Preise
eines Morgens sind 400, 600-900 fl. Eine Haupterwerbsquelle
fließt den Einwohnern aus dem Obst-, namentlich dem Kirschen-
bau. Außendem daß Obstmost, Dürrobst, Kirschen in Menge nach
außen verkauft, letztere auch zu Kirschengeist, oder um den Saft
zu gewinnen (s. Beuren), verwendet werden, wird auch viel feines
Tafelobst cultivirt. Weniger gedeihen die Zwetschen. Die Rind-
viehzucht hält sich in gleicher Höhe mit den Nachbarorten; die
Gemeinde fühlte lange die Nachwehen der großen Verheerungen,
welche zu Ende des vorigen und in den ersten Jahren des gegen-
wärtigen Jahrhunderts wiederholte Seuchen im Viehstande anrich-
teten. Es ist Thatsache, daß einzelne Bürger in 15 Jahren 60
bis 70 Stücke verloren haben. Das Vieh wird im Spätjahr auf
die Wiesen getrieben. Schafe werden von einzelnen Einwohnern
in ziemlicher Anzahl gehalten; der Weidpacht erträgt 650 fl. Noch
verdient die Bienenzucht erwähnt zu werden, indem die Zahl der
Stöcke die stärkste im Oberamt ist.

  Die Einwohner unterscheiden sich durch nichts Eigenthümliches
von ihren Nachbarn, als insofern, daß sie bei ihrem beschränkten Feld-
bau mehr auf Gewerbe gewiesen sind, und zwar ist das Hauptge-
schäft die Barchentweberei (auf 70 Stühlen), welche größtentheils
für Rechnung von Kirchheimer und Nürtinger Meistern und

Handelsleuten betrieben wird. Die Handspinnerei, welche frü-
her sehr fleißig geübt wurde, hat wie überall merklich abgenom-
men . Die Gemeinde besitzt ein Backhaus. Schildwirthschaften
sind 4, Mahlmühle 1, Oelmühle 1 vorhanden. Die Corporation
ist im Besitz eines Waldes von 350 Morgen in schönem Bestand,
der aber für die lokalen Bedürfnisse nicht zureicht. Der Sage
zufolge besaß die Gemeinde einen schönen und ausgedehnten Wald,
den sogenannten Kirchert (s.Nürtingen), welchen sie im 15ten
Jahrhundert gegen eine bedeutende Geldsumme zum Behuf ihres
Kirchenbaues der Stadt Nürtingen verpfändete. Das Pfand
aber sey nicht wieder eingelöst und so der Wald Nürtinger Stadt-
eigenthum geworden. Daher glauben die Frickenhauser immer noch
eine Art Anrecht an den alten Besitz zu haben – eine Vorstellung,
welche zur Sicherheit der Nürtinger Waldungen eben nicht bei-
trägt. Der Walddistrikt Eichenfürst, südlich vom Ort, ist [154]
Staatseigenthum. Der große-, Heu- und Wein-Zehnte steht dem
Staat, der kleine und Obstzehnte der Pfarrei zu.

  Der Ort ist ziemlich regelmäßig angelegt und hat wenigstens
in der, mitten hindurchführenden breiten Hauptstraße, ein rein-
liches und gutes Aussehen. Die Pfarrkirche, ein geräumiges und
ansehnliches Gebäude, so ziemlich mitten im Dorf, ist ihrer Bau-
art nach aus dem 15ten Jahrhundert.* (Die Jahreszahl 1581
auf einem Quaderstein der Sakristei deutet gewiß nun auf
eine spätere Restauration ). Der massive hohe Thurm
ist durch ein Satteldach verunziert. Der Begräbnißplatz umgibt
die Kirche. Zu der Kirchenbaulast concurrirt die Gemeinde bei
der Unvermöglichkeit des Heiligen zu 2/3. Das Pfarrhaus ist vor
wenigen Jahren erst erbaut und Staatseigenthum, das Schulhaus
aber und das Rathhaus sind alt, doch letzeres kürzlich erneuert.
An der Schule unterrichten ein Knaben-, ein Mädchenlehrer und
ein Lehrgehülfe. Auffallend ist es bei der Lage des Orts im Thal,
daß es bisweilen an gutem Trinkwasser mangelt und daß es keine
öffentlichen und gar keine laufenden Brunnen gibt, sondern immer
eine Anzahl Häuser einen gemeinschaftlichen Zieh-oder Pumpbrun-
nen unterhält. Eine steinerne Brücke auf der neu angelegten
Straße nach Tischardt und Metzingen führt über den Krummbach,
der unterhalb der Mühle in die Steinach fällt.

  Im Ort oder in der Nähe desselben scheint eine Burg, der
Sitz der Spät von Frickenhausen gestanden zu haben, von welcher
sich übrigens jede Spur verloren hat. Auch von einem Nonnen-
kloster in der Nähe will die Sage wissen. Aber mit Unrecht wird
die Bruderklause Michelfelden auf diesseitiger Markung gesucht
(s. Nürtingen).

  Im Jahr 1304 besaß der Eßlinger Hospital allhier Wiesen. Be-
gütert und berechtigt waren die Hörnlingen (1320), die Mörhild
(1350 u.f.), die Spät (1386 u. f.), die Schilling (diese waren im
Jahr 1359 Pfandbesitzer von Frickenhausen und Linsenhofen gewe-
sen), die Kayb (1468)

  Im Jahr 1468 wurde das Gericht von Stuttgart zum Ober-
gericht von Frickenhausen bestellt (Sattler, Grafen 2te Ausg. 4,
93, 251). Das frickenhauser Erbrecht, im Jahr 1493 niederge-
schrieben, gibt Fischer in der Geschichte der deutschen Erbfolge 232.

  Die hiesige Kirche wurde im Jahr 1436 von Neuffen getrennt,
eine eigene Pfarrei errichtet und ihr der Zehnte in Raidwangen,
welchen 1428 Ulrich Schilling besaß, übergeben. (Gabelk. Sattler,
Topogr. 190.) In der Pfarrkirche bestand noch 1526 auch eine
Frühmesse. Das Patronat sand der Herrschaft zu. Auch war eine[155]
Badstube hier. Mit ¼ des Laienzehnten wurde ums Jahr 1365
Utz von Ogolshausen von Württemberg belehnt; es wurde ihm
aber später abgekauft und dem Stifte Urach geeignet. Weitere
hiesige Zehntrechte übergab 1482 das Kloster Salmannsweil dem
Stifte Urach und erhielt dagegen von demselben seine Zehntrechte
zu Nürtingen. Ueber das Geschlecht der Mörhild s. die Oberamts-
beschreibung von Rottenburg S. 215. Wir finden 1358 einen
Berthold Merhelt von Wurmlingen, Edelknecht zu Frickenhausen
und 1366 einen Ernst Mernhelt von Frickenhausen.

  Bei Frickenhausen lag noch 1379 der jetzt abgegangene Ort
Linghartsweiler (s. Oberamtsbeschreibung von Eßlingen 227).

  Frickenhausen ist mit Neuffen 1301 württembergisch geworden.