Ortsbeschreibung von Hardt 1848 PDF-Logo

aus der Oberamtsbeschreibung von Nürtingen

Seite 165 bis 168
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12. Hardt,

Dorf, Gemeinde III.Cl. mit 224 evangelischen Einwohnern, Filiali-
sten von Ober-Ensingen und 2 Katholiken, Filialisten von Unter-
Boihingen, 1 1/8 Stunde nordwestlich von Nürtingen, die kleinste
Gemeinde des Oberamts. Südlich von der Aich und westlich vom
Föllbach begrenzt, zieht sich die Hardter Markung den größentheils
bewaldeten linken Thalhang hinan und breitet sich auf der Höhe
gegen Wolfschlugen aus. Der leichte und mit Ausnahme der
Zelg Rothhölzle fruchtbare Boden liefert als Haupterzeugnisse nicht
bloß zum eigenen Verbrauch, sondern auch zu auswärtigem Ver-
kauf Dinkel, Haber und Flachs, letztern in besonderer Menge und
Güte. Nicht minder ist das Obst, das hier reichlich und gerne
geräth, ein wichtiger Erwerbszweig. Weniger ergiebig sind die
am Abhang liegenden Wiesen. Die Preise eines Morgens Ackers
bewegen sich zwischen 150 und 500 fl., eines Morgen Wiesen zwi-
schen 200 und 650 fl. Die Waldfläche der Markung ist mit[166]
Ausnahme von 28 ¼ Mrg. Staatswald, zwischen hiesigen und Wolf-
schluger Privaten getheilt, wovon jene 74 ¼, diese 82 Mrg. besitzen.
Die Rindviehzucht ist ein mit Vortheil und steigender Sorgfalt
betriebener Nahrungszweig; es wird viel mit Stieren gehandelt,
auch Mastung zu auswärtigem Verkauf betrieben. Unbedeutend
ist die Schafzucht; der Pacht der geringen Weide erträgt nur 50 fl.
Einige Bürger beschäftigen sich erfolgreich mit Bienenzucht.

  Die Bewohner sind ein gesunder, wohlgebauter Schlag Leute,
ausgezeichnet durch Fleiß, Wirthschaftlichkeit und stilles, eingezo-
genes Leben. Sie haben ihr gutes Auskommen und zählen nur
sehr wenige eigentlich Arme. Gewerbebetrieb und Nebenbeschäf-
tigungen finden sich nicht, mit Ausnahme des Ausbeutens eines
bedeutenden Mühlsteinbruchs auf hiesiger Markung und einer
Schildwirthschaft; früher wurden auch Wetzsteine hier bereitet.

  Die Verhältnisse der Gemeinde haben sich eigenthümlich ge-
staltet. Bis 1808 waren die Bürger von allen Steuern, Abgaben
und Leistungen, mit Ausnahmen der Zehnten und und Lehensgefälle,
befreit (s. hienach). Seit 1808 sind sie neusteuerbar, müssen aber
ihren Communalaufwand unter sich umlegen, und haben von den
Amtscorporationslasten einen Beitrag zur Besoldung des OA.-
Chirurgen übernommen. Die Markung zerfällt, außer einigen
eigenen Gütern, in zwei, ehemals große, doch frühzeitig unter
mehrere Bauern getheilte Höfe, von welchen der eine dem Herrn
von Neuhausen, der andere dem Frauenkloster in Kirchheim lehnbar
war und die daher noch jetzt der Neuhauser und Kirchheimer Hof
heißen. Die Lehensgefälle beider Höfe sind abgelöst. Den großen
und kleinen Zehnten, letzteren von der Pfarrpfründe Nürtingen
herrührend, erhebt der Staat. Der Heuzehnten, soweit er gereicht
wurde (die Kirchheimer Hofwiesen waren von jeher frei), ist
abgelöst.

  Am Südabhang der Filderhöhe in einem Garten von Obst-
bäumen liegt freundlich das reinliche und wohlgebaute Dörfchen.
Die Einwohner sind in die Kirche und Schule des 5/8 Stunden
entfernten Ober-Ensingen gewiesen. Bis der Fond zum Bau eines
eigenen Schulhauses wird vorhanden seyn, was in den nächsten
Jahren der Fall seyn wird, reicht die Gemeinde dem Schullehrer
im Mutterorte eine Besoldungszulage von 30 fl. Auch ein eigenes
Rathhaus besitzt der Ort nicht. Quellwasser ist hinreichend vor-
handen.- Eine prachtvolle Aussicht nach der Alp, in das Neckar-
thal und einige Seitenthäler öffnet sich hinter dem Ort auf der
Höhe gegen Wolfschlugen.

  An dem waldigen Thalhang, merkwürdig durch diezusammen-
gestürzten mächtigen Sandfelsbänke, von welchen oben bei Grötzingen[167]
die Rede war, gelangt man zu dem hohlen Stein oder der be-
rühmten sogenannten Ulichshöhle. Sie war übrigens nie eine
eigendliche Höhle, sondern von jeher eine große Felsenspalte. Diese
Spalte, von welcher Rösler Beiträge III. S. 103 f. eine mehr
ausführliche als klare Beschreibung gibt, erkennt man in ihrer
ursprünglichen Gestalung jetzt nicht mehr, indem die benachbarten
Wolfschluger, welche hier Waldungen besitzen, große Massen von
Steinen ausgebrochen und weggführt haben. Vor ungefähr 20
Jahren noch sah man zwei Felsblöcke, wovon der obere 18 ' lang,
24' hoch und 14' dick, der untere 21' lang, etwa 19' hoch und oben
16' dich war, unten aber in eine Spitze auslief, und welche so zusam-
menstießen, daß sie einen Zwischenraum von 3' Breite, und 10'
Höhe bildeten, ohne sich jedoch auf einer Seite oder oben ganz zu
schließen. Jetzt ist zwar das weitere Steinbrechen hier verboten,
allein die ganze Felspartie hat bereits ihre merkwürdige roman-
tische Gestaltung verloren. Nach der Aussage der Leute in Hardt
sollen vor einigen Jahren alte Waffenstücke, Spieße etc. dort ge-
funden worden seyn.

  Von der Ulrichshöhle hat sich folgene Sage, welche sich übri-
gens nicht auf gleichzeitige Quellen zurückführen läßt, erhalten.
Herzog Ulrich verbarg sich daselbst einige Tage auf seiner Flucht
und wurde von vier Hardter Bürgern (aus so viel bestand der
Hof damals) mit Lebensmitteln erhalten; er bot ihnen dafür eine
Gnadenbezeugung an, sie baten aber um nicht mehr, als um die
Erlaubniß, einen Fuchs, welcher ihnen Schaden that zu tödten.
Ulrich gab ihnen nicht nur den Fuchs Preis, sondern schenkte
ihnen auch theils vollkommene Steuerfreiheit, theils Freiheit von
allen Jagd- und Frohn-Diensten (Rösler a.a.O.). Daß diese
Hardter Hofbauern seit unvordenklichen Zeiten bis zum Jahr 1808
dieser Freiheit genoßen (die zu zahlende Türkensteuer ausgenom-
men), ist jedenfalls sicher.

  Am Nordostende der Markung führt die Straße von Nürtin-
gen nach Stuttgart mittelst der Teufelsbrücke über die Teu-
felsklinge, eine Lokalität, hohin, wie schon der Name erwarten
läst, Aberglaube und Sage manch seltsamen Spuck verlegen.

  In älteren Zeiten gehörte der Weiler ins Gericht zu Nürtingen
und der große Zehnten der Herrschaft. Wolf von Altenstaig verkauft
1366 dem Frauenkloster Kirchheim unter Teck „einen Hof zu Harde
gelegen“ mit allen Rechten, nebst einer Steingrube, die u.A.
1 Pfd. Pfeffer gültet, um 427 Pfd Hll. für frei und eigen, wie
das sein väterliches Erbe ist. Dasselbe Kloster kaufte 1432 von
einem Bauern „das Holz gelegen zu Hart am Wiler,“ wovon ein
Theil liegt „in dem alten Hart,“ um 160 Pfd. Hll. Der andere[168]
Hof gehörte zu dm hohenbergischen Lehen Neuhausen (s. OA.-
Beschreib. von Eßlingen, S. 217). Hardt bedeutet nach Schmid
schwäb. Wörterbuch ein hohes waldbewachsenes Land. Der Ort
war im 30jährigen Kriege ganz verlassen.