Ortsbeschreibung von Kohlberg 1848 PDF-Logo

aus der Oberamtsbeschreibung von Nürtingen

Seite 170 bis 173
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15. Kohlberg

evangelisches Pfarrdorf, Gemeinde II.Cl. mit 893 Einwohnern, dar-
unter 6 katholische Filialisten von Unter-Boihingen, 2 3/8 Stunden
südlich von Nürtingen (Forstamt Urach). Am Fuß des Jusibergs,
dessen nordwärts gekehrte Stirne den Namen Kohlberg trägt, breitet
eine hochgelegene, nördlich sich absenkende, von einigen Bächen und
Thälern (Authmuth, Sallenbrunnen, Längert) durchschnittene Fläche
sich aus, auf welcher Kohlberg liegt. Der hohen Lage von 1500
p. Fuß über dem Meere ungeachtet ist die Luft weniger rauh als
man erwarten sollte und Frühlingsfrost seltener als in benachbarten
tieferen Orten. Die Markung ist im Verhältniß zur Bewohnerzahl
weder ausgedehnt, noch hinsichtlich der Bodenbeschaffenheit an sich
fruchtbar und ergiebig, da der schwere, kalkhaltige Lehmboden sehr
viele Nachhilfe und künstliche Besserung verlangt, auch die unebne
Lage der Felder den Anbau vielfältig erschwert. Allein die unge-
mein fleißige Cultur, in welcher Hinsicht Kohlberg musterhaft ist,[171]
sucht diese Nachtheile mit Erfolg zu überwinden. Auch haben sich
die vermöglichern Einwohner viele Güter auf benachbarten Mar-
kungen, besonders in Neuffen, erworben. Von Fruchtarten werden
Dinkel, Weizen und Mischling, auch Gerste gebaut und Weniges
nach Außen abgesetzt. Der Wiesenertrag ist quantitativ mittel-
mäßig und kaum zureichend, das Futter aber gut. Die Acker-
und Wiesen-Preise stehen zu 200, 400-800 fl. Obst und Wein sind
allein erhebliche Gegenstände des auswärtigen Verkaufs. Cultur-
und Absatz-Verhältnisse des mittelmäßigen, doch den bessern der
Gegend beizuzählenden Weins sind wie in den Nachbarorten; der
Durchschnittsertrag berechnet sich auf jährlich 350-400 Eimer zu
20 fl. Die Obst- und namentlich Kirschen-Zucht gehört zu den
wichtigsten des Bezirks; es wird sehr Vieles grün verkauft, vieles
Steinobst auch zu Branntwein, besonders die Kirschen zu Kirschen-
wasser gebrannt. Die Ausdehnung dieses Nahrungszweiges und
die Veredlung der Sorten ist noch immer im Zunehmen begriffen.
Die Waldungen, zum größten Theil der Commune zugehörig,
reichen zum eigenen Bedarf nicht zu und gewähren, außer den
Rinden, keinen auswärts zu verwerthenden Ertrag. Mehrere
Brüche liefern marmorartige Kalksteine, welche häufig in die
Nachbarschaft ausgeführt werden. - Die Rindviehhaltung ist so
ausgedehnt, als der Güterbesitz nur immer erlaubt; die Zucht
gehört zu den bessern des Oberamts; besonders wird auf gute
Stiere gesehen, welche der Anbau des schweren Bodens verlangt.
Die Schafzucht hat bis jetzt nicht abgenommen, ist aber wenig
erheblich; der Weidepacht erträgt für die Gemeinde 200 fl.

  Die Einwohner, ein sehr tüchtiger Schlag Menschen, haben
sich durch Fleiß und Oekonomie in einen Wohlstand und Credit
gesetzt, welcher die umliegenden Ortschaften namhaft übertrifft.
Man zählt kaum 4-5 Ortsarme. Bei aller Genügsamkeit, bis-
weilen selbst weit getriebener Sparsamkeit, lieben sie es übrigens
doch, bei besondern Gelegenheiten etwas aufgehen zu lassen. Be-
sonders werden Hochzeiten mit nicht gewöhnlichem Luxus und
gegen die in unserm Bezirk vorherrschende Sitte gewöhnlich nicht
im Wirthshaus, sondern im Hause der Eltern des Bräutigams
oder der Braut gefeiert, wobei die Hochzeitgäste auf Kosten der
Brautleute traktiert, und diese von den Gästen wiederum so reich-
lich beschenkt werden, daß ihnen oft nach Abzug des gehabten Auf-
wandes hundert und mehr Gulden übrig bleiben. Diese soge-
nannten Hochzeitessen dauern dann gewöhnlich ein Paar Tage.
Im Ort selbst wird außer den gewöhnlichen ländlichen Gewer-
ben ziemlich viel Leinwandweberei getrieben. Schildwirthschaften
sind zwei vorhanden, auch besitzt die Gemeinde ein öffentliches[172]
Wasch- und Back-Haus. - Der Groß-und Wein-Zehnte steht
dem Staat, der kleine und Heu-Zehnte der Pfarrei zu.

  Kohlberg hat eine wunderschöne, hohe und freie Lage, sehr
gesunde Luft, vortreffliches und reichliches Quellwasser vom Ge-
birge herab, und ein von Außen und Innen, besonders in der Nähe
der Kirche und des Rathhauses, gutes und freundliches Aussehen,
namentlich eine wohlgehaltene Hauptstraße durch den Ort. Die
ungefähr in der Mitte des Dorfs stehende Kirche ist 1768 erbaut,
freundlich und hell. Eigenthumsrecht und Baulast steht der Com-
mune mit Concurrenz des Heiligen zu. Der Begräbnißplatz liegt
am Ende des Orts an der Straße nach Dettingen. Das alte
aber geräumige Pfarrhaus steht hinter der Kirche und ist Eigen-
thum des Staats; der Kirche gegenüber das stattliche 1831 von
der Gemeinde neu erbaute Schulhaus. Das Rathhaus ist zwar
alt, hat aber ein erneuertes und besseres Aussehen erhalten.

  Allhier erhielt das Kl. Zwiefalten durch die Mildthätigkeit
Graf Cunos von Achalm ansehnliche Güter, welche die Mönche
nach Ausreutung der Wälder zu einer fruchtbaren Obst- und
Wein-Gegend umzuschaffen verstanden;* sie erbauten daselbst eine
Kirche zu Ehren der zwölf Apostel, bald darauf auch des h. Erz-
engel Michael, des h. Nikolaus und des h. Benedikts. Unter
dem J. 1102 wird in den Zwiefalter Jahrbüchern erwähnt, daß
damals die hiesige St. Nikoaikirche geweiht worden sey (Hess
Mon.Guelf. 219). Abt Ulrich von Zwiefalten (+1127) erbaute
hier eine Wohnung für etliche Mönche und eine Anzahl Laien-
brüder, welche die Güter bauen sollten, und gab ihnen zum Vor-
steher einen Probst.** Der Besitz wird immer namentlich
aufgeführt in den Schutzbriefen, welche sich das Kloster von den
deutschen Königen, seinen Schirmherren, wie von K. Albrecht im
J. 1301, Jan. 18, K. Friedrich dem Schönen i.J. 1317, Jan. 22,
K. Karl IV. i. J. 1360, Sept.22, verschaffte.

  Auch das Reich hatte in Kohlberg einen Hof, welcher übrigens
öfters verpfändet wurde. Als i.J. 1301 Konrad von Weinsberg[173]
Neuffen nebst zugehörigen Orten an Württemberg verkaufte, nahm
er ausdrücklich diesen Hof aus, weil er Pfand vom Reiche war
(Gabelkh.). K. Albrecht verpfändete 1307, Okt. 11. curia sua et
imperii dicta Colberg an Burkhard von Ellerbach für verschriebene
200 Mark Silber. Ueber die Abgrenzung zwischen dem Reichs-
und Kloster-Gut wäre beinahe ein Krieg entstanden, als i.J. 1459
K. Friedrich III. seinen Vicecaplan Ulrich Welzlin mit einem hie-
sigen Hofe beschenkte (Sattler Grafen 2, 242. 2te Ausg.), in
welcher Absicht der König i.J. 1460 Sept. 30. an die Stadt
Eßlingen den Befehl erließ, sie solle dem Pfalzgrafen Friedrich
als Reichshauptmann und dem Welzlin beholfen seyn, daß letzterer
den Hof Kohlberg sammt Vorder-, Mittel- und Hinter-Kohlberg
erhalte, da das Vorgeben des Abtes von Zwiefalten falsch sey
(Eßlinger Arch. Urk.). Erst 1482 mit Welzlins Tod ruhte der
Streit; Zwiefalten erhielt den Hof gegen Verpflichtung, 2 Fuder
Weingült an den Besitzer des Schlosses Achalm zu entrichten (Gabelk.).

  Kohlberg gehörte ins Amt und (1526) Gericht Neuffen. Die
Pfarrei hatte damals schon die Herrschaft zu verleihen, welcher
auch, unter Concurrenz der Karthause Güterstein, der große
Zehnten zugehörte. - Eine freigeborene Gisela de Hiltiniswilare,
Eberhardus de Urach, ein Landolphus und Walterus de Tettingen
machten ums J. 1111 gleichfalls Schenkungen an Zwiefalten
(Sulger Annal. Zwif. I. 51-54). Caspar von Schlatt verkaufte
1431 an Ulrich Schilling, Bürger zu Nürtingen, etliche Güter hier
und die Hälfte eines Hofes zu Raidwangen, dessen andere Hälfte
Albert von Tachenhausen zustand. Kohlberg wurde als eine Zuge-
hörde der Grafschaft Achalm 1640 von der Erzherzogin Claudia
von Oesterreich in Besitz genommen.

  * Cholberg qux terra similis est terrx repromissionis, terr fructi-
fera et fertilis vini....hic est mons et collis, de quo multi testan-
tur, quod pene in omni romano imperio tantis usibus aptam nullam
vidissent areolam. Ortlieb von Zwiefalten, schrieb 1135, Hess. Mon.
Guelf. 175, woraus auch das Folgende. Vergl. Berthold von Zwiefalten,
Hdschr. der k.öff.Bibl. Hist.Fol.Nro. 430. S. 26, 27, wo mehrere
Schenkungen in Kohlberg erwähnt sind.

  ** Bertoldus prepositus in Colberg. Necrol. Zwif. 246.