Ortsbeschreibung von Neckarhausen 1848 PDF-Logo

aus der Oberamtsbeschreibung von Nürtingen

Seite 177 bis 179

17. Neckarhausen

[177] evangelisches Pfarrdorf, Gemeinde III. Cl. mit 1034 Einwohnern (wor-
unter 1 katholischer Filialist von Unter-Boihingen), 5/8 Stunden
westlich von Nürtingen, am Neckar und an der Straße von Nür-
tingen nach Neckar-Thailfingen.- Der kleinere Theil der Ortsmar-
kung liegt im Neckarthal, der bei weitem größere, aus Baum-
gütern, Ackerfeld und Wald bestehende an und auf dem flachen
Bergrücken, welcher das Neckar- von dem Aich-Thal scheidet. Der
Neckar, welcher hier die Authmuth aufnimmt, bildet hier mehrere
Altwasser mit sumpfigen Ufern, welche ziemlich viele Fische, na-
mentlich Hechte nähren, der Salubrität des Ortes aber keineswegs
zuträglich sind. Auch tritt der Fluß häufig aus seinem Gestade.
Das Fischrecht ist Eigenthum des Nürtinger Fischers. Die Luft
ist verhältnißmäßig mild, aber etwas feucht und oft neblich; auch
sind Frühlingsfröste nicht selten. Der Anbau des größtenteils
fruchtbaren und nicht schwierig zu bearbeitenden Bodens hat durch
landwirthschaftliche Verbesserungen gewonnen, die immer mehr
Eingang findet. Ein Hinderniß waren bis jetzt die bedeutenden,
doch jetzt größtentheils zur Ablösung gekommenen, Reallasten. Das
Ackerfeld ist ausgedehnt und vorzüglich zum Dinkel-, Haber-, Hanf-
und Flachs-Bau geeignet. Neckarhausen gehört zu den besseren Frucht-
orten der Gegend, und der hiesige Flachs und Hanf sind besonders
beliebt. Der Morgen Acker gilt 200, 300, 400 fl. Der Ackerbau
könnte auf eine noch höhere Stufe gehoben werden, wenn nicht der
Wieswachs hinsichtlich des Areals, zum Theil auch der Ergiebig-
keit, zurückstände. Preise 3-500 fl. Der ohnedieß gering gewesene
Weinbau hat seit 1817 aufgehört; nur etliche Morgen sind noch
im Bau. Die Obstzucht dagegen ist beträchtlich und der Ertrag
groß, wenn die Thalreifen und Nebel nicht schaden. Es hat schon
Jahre gegeben wo der Obstzehten über 2000 Simri betrug. Die
Rindviehhaltung ist durch den Mangel an Wiesen etwas beschränkt,
die Zucht aber bessert sich sehr durch Nachzucht von Schweizervieh.
Gekauft und verkauft werden ziemlich viel Stiere, auch Ochsen-
mastung wird von Einzelnen betrieben. Jüdisches Stellvieh aber
ist noch immer nicht verbannt. Die Schafzucht ist hier weniger
als anderwärts im Abnehmen. Geflügel wird ziemlich viel gezo-
gen. Die Professionen sind die auf dem Land gewöhnlichen; die
Weberei beschäftigt über 30 Stühle. Der Ort hat ein Gemeinde-
backhaus und drei Schildwirthschaften. Aus dem feinkörnigen
Sandstein des Aichthals werden Wetzsteine auf den Verkauf ver-
fertigt.[178]

  Die Einwohner leben in ziemlich mittelmäßigen Vermögens-
umständen, wiewohl hierin eine Verbesserung gegen früher nicht
zu verkennen ist. Die Corporation hat einen ansehnlichen Laub-
wald von 422 Morgen in gutem Bestand, und erhebt von der
spitälischen Armenstiftung siehe oben.- Sämmliche Zehnten wer-
den dem Staat gereicht; nur von einigen kleinen Distrikten bezie-
hen die Spitäler in Nürtingen und Kirchheim den Fruchtzehnten.
Schwere Abgaben an Gülten, Theilgebühren etc. waren dem Staat
und den genannten Spitälern zu entrichten, deren Ablöung jedoch
neuerdings stattgefunden hat.

  Neckarhausen liegt angenehm theils im Neckarthal, theils an
dessen südlicher Halde gelehnt, und bietet gegen Raidwangen einen
vortheilhaften Anblick, so wie auch das Innere, wenigstens die
mitten hindurch führende Hauptstraße (die Poststraße von Nürtin-
gen nach Neckar-Thailfingen) ein reinliches, gefälliges Ansehen hat.
Eine hölzerne Brücke führt auf das jenseitige rechte Neckarufer.
Die Pfarrkirche, in welche Raidwangen als Filial gewiesen ist, hat
ein erneuertes hübsches Aeußere und Innere, ist aber kaum ge-
räumig genug. Die Baulast trägt observanzmäßig die Gemeinde
zu 2/3, der Ortsheilige zu 1/3, mit ganz unbedeutender Concurrenz
des unbemittelten Filialheiligen. Dabei steht das alte, aber aus-
gebesserte Pfarrhaus. Der Hospital in Nürtingen, der auch jetzt
noch den Pfarrer besoldet und die Pfarrwohnung im Bau erhält,
hatte von 1796 an, gegen Vertauschung des Nominationsrechts auf
die Pfarrei Pfullingen, das hiesige, jetzt landesherrliche Patronat.
Die Pfarrei wurde erst 1507 errichtet, indem Neckarhausen mit
Raidwangen bis dahin nach Nürtingen eingepfarrt gewesen war.
Der Begräbnißplatz liegt am Ende des Ortes. Das Rathhaus
wurde 1750 erbaut, vor einigen Jahren aber hübsch renovirt. Die
Schule, für welche die Gemeinde 1836 ein schönes Haus aufführte,
wird von einem Lehrer und Lehrgehülfen versehen. Eine Mühle,
wozu doch schöne Gelegenheit wäre, fehlt, indem der Ort in die
Nürtinger Stadtmühle gebannt ist. Schildwirthschaften finden sich
zwei. Trinkwasser ist reichlich, doch nicht von besonderer Güte vor-
handen. Die Nürtinger Wasserleitung beginnt auf diesseitiger Mar-
kung auf der Höhe nördlich vom Orte. Ein sogenanntes Hunger-
brünnlein fließt bisweilen in nassen Jahrgängen, westlich unweit
der Straße nach Neckar-Thailfingen.

  Eine Burg, wahrscheinlich der Sitz der Hochschlitze von Neckar-
hausen, stand über dem Ort auf der Höhe am Heerweg (s.hienach).
Sie scheint schon um die Mitte des 15ten Jahrhunderts verschwun-
den zu seyn, wo an ihrer Stelle ein von Württemberg zu Lehen[179]
gehender Hof, der Remin-Hof erscheint. Vor dem dreißigjähri-
gen Krieg war dieser Hof von zwei Bauern bewohnt.

  Daß auch hier eine, wenn auch unbedeutende Römerstätte war,
wird kaum zu bezweifeln seyn. Der Ort liegt auf der Linie von
der Erms-Niederlassung nach Köngen, und hieher zielt auch die
Hochstraße, die wir bei Grafenberg und Groß-Bettlingen kennen ge-
lernt haben, so daß wahrscheinlich ist, es habe hier der Neckar-
übergang dieser Straße stattgefunden. In dem sogenannten Schloß-
garten, dem Ort gegenüber auf dem jenseitigen Neckarufer, fand
der Eigenthümer des Grundstücks, Adlerwirth Federschmidt, Grund-
mauern mit Bruchstücken von gemalten Gypswänden, also
wohl keine Ueberbleibsel eines deutschen Rittersitzes,- Ferner ver-
dient Aumerksamkeit der noch jetzt in einer Breite von 20-24'
vermarkte Heerweg (s. Grötzingen), der sich auf der Höhe nörd-
lich über dem Ort in die Richtung nach Nürtingen, und in eine
nordöstliche nach Köngen zu theilen scheint. S. Unter-Ensingen.
Letztere ist ohne Zweifel die Fortsetzung unserer Straße von der
Erms her.*

  Auch hier bietet der linke Abhang des Neckarthales eine treff-
liche Aussicht.

  Neckarhausen erscheind, als Husen, am frühesten in einer Sal-
mansweiler Urkunde von 1284. Im Jahr 1431 trug Albert von
Tachenhausen Güter in Neckarhausen an Pfalz zu Lehen auf. Be-
gütert allda war auch der Eßlinger Spital laut dessen Lagerbuch
von 1304 und einer Schenkungsurkunde von 1310 (Eßlinger Archival-
urkunde).

  Neckarhausen gehörte in das alte Amt Nürtungen und 1526 auch
ins Gericht Nürtingen.- Einige Güter derer von Hornstein kamen
1398 an Konrad Wolf von Boll; einen Hof verkaufte dieser 1427
an Konrad Renner, Caplan zu Dettingen. Jörg und Hans Si-
mon Kayb besitzen 1464 gleichfalls einen Hof. Kaspar von Schlatt
verkauft 1437 an Kaspar Rehm, Keller zu Tübingen, einen Hof;
einen andern hatte von ihm Württemberg erworben, das hier 1526
neun Höfe besaß, wovon zwei „Kirchengüter“ hießen. Am 26. Juli
1796 plünderten die Franzosen den Ort (Martens S. 664).- Die
Burg war eine Zeitlang im Besitze einer Linie der Züttelmann.
1364 und 1368 finden wir einen Züttelmann,. den man nennt den
Maiger von Husen.

  * Der Name „Steinmauern,“ welchen ein ehemaliger Weinberg in der
Nähe des Heerwegs, südlich von der alten Nürtinger Wasserleitung trägt,
deutet nicht, wie man vermuthen könnte, auf alte Gebäude, sondern kommt
von einem Bruch horinzonal geschichteten Liassandsteins.