Ortsbeschreibung von Neckartenzlingen mit Hammetweil 1848 PDF-Logo

aus der Oberamtsbeschreibung von Nürtingen

Seite 180 bis 184
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18. Neckar-Tenzlingen

evangelisches Pfarrdorf mit Marktgerechtigkeit, Gemeinde III. Cl. nebst
dem auf eigner Markung gelegenen Hof Hammetweil und zwei
Häusern, zusammen mit 1107 Einwohnern, darunter 1 katholischer
Filialist von Unter-Boihingen, 2 ½ Stunden südwestlich von Nür-
tingen am Neckar und an der Erms (Forstamt Urach). Eine Strecke
des Neckarthals, wo es in den Oberamtsbezirk eintritt, von einer klei-
nen Stunde Läng, und eine halb so lange Strecke des ehier einmün-
denden Ermsthales nebst des beiderseitigen Thalgehängen und einer
kleinen Hochfläche gegen Altdorf machen die Feldmark der Gemeinde
Neckar-Tenzlingen aus, deren klimatische und Boden-Beschaffenheit
mit der von Neckarhausen im Wesentlichen übereinkommt. Nur
ist das Neckarthal hier trockener und mehr kiesig und sandig. Der
Fruchtbau erzeugt die in der Gegend gewöhnlichen Getreidearten
nicht in hervorstechender Qualität, auch nicht viel über den ört-
lichen Bedarf. Hanf wächst in ziemlicher Menge und gut. Vor-
züglich und reichlich ist der Ertrag der Wiesen des Ermsthales,
wo auch Wässerung stattfindet; etwas weniger ergiebig ist hierin
das Neckarthal. Acker und Wiesen-Preise 200, 400 bis 600 fl. Die
Weinberge sind nicht ertragreich und stehen hinsichtlich der Güte
ihres Erzeugnisses hinter den bessern Orten an der Alptraufe, Lin-
senhofen, Beuren, Neuffen etc. zurück. Die Lage hinter der Kirche
und die Maiershalde behaupten vor den übrigen den Vorzug. Obst
wird mit vielem Fleiß und in Menge gezogen, doch wenig zum
auswärtigen Verkauf gebracht.- Neckar-Tenzlingen gehört zu den
wenigen Orten des Oberamtsbezirks, welche einige Pferdezucht
haben, und wo die vermöglichern Bauern sich lieber der Pferde
als des Hornviehs zum Feldbau bedienen, indem auch einiges
Landfuhrwesen im Orte besteht. Die Rindviehzucht hebt sich so-
wohl numerisch als auch durch Verbesserung der Race, und ist ein we-
sentlicher Erwerbszweig; einige wohlhabendere Einwohner zeichnen
sich durch einen besonders schönen Viehstand aus. Die Schweine-
zucht, auch Mastung, ist hier namhaft, mehr Nebensache aber
die Schafzucht. Die Fischerei, die ehemals hier bedeutend war,
hat sehr abgenommen. Das Fischrecht in der Erms und im Neckar
von der Markungsgrenze bis an das Wehr ist Staatseigenthum,
und verpachtet, vom Wehr bis an die Neckarthailfinger Markung
Eigenthum der Gemeinde und einigen Privaten. Es wird noch
einiger Handel mit Fischen, besonders mit den Forellen der Erms
und den Aalen des Neckars getrieben. Einige Schneckengärten,
welche gehalten wurden, sind abgegangen.

 [181] Hinsichtlich der physischen Eigenschaften der Bewohner bemerkt
man ein häufiges Zurückbleiben der körperlichen Entwicklung und
Hinneigung zur Kropfbildung. Der Vermögenszustand ist sehr
ungleich; einige wenige Bürger sind wohlhabend, zum Theil selbt
der Reichen beizuzählen, viele ganz unbemittelt, mitunter tief
verschuldet, mehrere der öffentlichen Unterstützung bedürftig. Auf
der Gesammtmarkung befinden sich vortreffliche und ertragreiche
Sandsteinbrüche, aus welchen Bau-, Werk- und Mühl-Steine
verschiedener Art gewonnen (s. oben S 23) und nach Außen, letztere
bis nach Bayern, verführt werden, und in welchen viele der ärme-
ren Bewohnern eine wohlthätige Gelegenheit zum Arbeitsverdienst
finden. Sie sind theils Eigenthum der Gemeinde, theils im Pri-
vatbesitz.* Es finden sich ziemlich viele Professionisten, darunter
auch einige städtische Gewerbetreibende, z.B. ein Waffenschied,
ein Färber, ein Rothgerber etc. Schildwirthschaften zählt man 3,
Oelmühle 1, Sägemühle 1, auch besitzt der Ort eine bedeutende
Bierbrauerei. Von den beiden Mahlmühlen ist die eine, die
Ermsmühle, Gemeindeeigenthum und für 500 fl. jährlich verpach-
tet. Die Neckarmühle, mit 10 Gängen, ist Privateigenthum; sie
war früher eine sehr einträgliche Bannmühle für mehrere um-
liegende Ortschaften, wurde aber von diesen vor einigen Jahren
gemeinschaftlich angekauft, und zur Lösung des Bannes ohne sol-
chen wieder veräußert. Eine Handlung mit Spezerei, Ellwaaren
und Eisen, und einiger Bauholzhandel verdienen ebenfalls Er-
wähnung. Die zwei Vieh- und Krämer-Jahrmärkte, welche der
Ort im Frühling und Spätjahr seit 1824 hält, sind von keiner
Bedeutung.

  Die Corporation ist ziemlich vermöglich; außer andern, zum
Theil in Vorstehendem schon genannten Besitztheilen und Reve-
nuen hat sie 264 Morgen Laubwald und bezieht aus der Schafweide
950 fl. Pacht sammt Pförcherlös. Sämmtliche Zehnten werden
dem Staat, und zwar der kleine und Heuzehnte für die 1837
verwandelte Pfarrei gereicht. Die Reallasten, welche bisher auf
den Gütern ruhten, sind nicht unbedeutend.

  Der Ort ist in dem Mündungswinkel der Erms in den Neckar
eben und angenehm gelegen, etwas weitläufig gebaut und hat
viele geringe, aber in der Hauptstraße auch mehrere gut aussehende
Häuser. Die Straßen sind reinlich. Die Pfarrkirche (zum heiligen
Martin dem Bischof) ein geräumiges Gebäude, gehört zu den besser[182]
erhaltenen gothischen Kirchen der Gegend, wiewohl die Symmetrie
der Südseite des Langhauses durch das Durchbrechen neuer Fenster-
öffnungen gelitten hat. Der Thurm, auf welchem eine große sehr
wohllautende Glocke, trägt die Jahrzahl 1518; die Kirche sebst
aber ist wohl aus etwas früherer Zeit. Die Baulast trägt der Hei-
lige, und für ihn subsidiär die Gemeinde. Vor der Reformation
bestand eine Frühmeß- und Caplanei-Pfründe zu U.L. Frauen-
Altar. Eine weitere Caplaneistiftung (1458 von Wolfgang Schil-
ling und der Gemeinde gemacht) war mit einer unten im Dorf
am Neckar befindlich gewesenen, jetzt verschwundenen Capelle ver-
bunden. Der Begräbnißplatz umgibt die Kirche, bedarf aber einer
Erweiterung. Das Pfarrhaus ist 1632 erbaut, 1838 aber sehr
verbessert worden und wird vom Staat unterhalten; dabei sind
artige Gartenanlagen. Das Schulhaus hat die Gemeinde 1830
neu aufgeführt; ein Lehrer und ein Lehrgehülfe versehen die Schul
e; eine Industrieschule ist seit einigen Jahren in Thätigkeit. Das
Rathhaus ist schon 1680 erbaut worden. Ein Gemeindeback- und
Waschhaus besteht seit einiger Zeit, und erweist sich als eine zweck-
mäßige Einrichtung. Quellwasser ist in hinlänglicher Menge, gleich-
wohl kein öffentlicher Brunnen vorhanden. Ueber den Neckar führt
eine hölzerne Brücke mit steinernen Pfeilern; es wird Brückengeld
erhoben.

  Jenseits der Brücke bei der Mühle unter dem steielen Thal-
abhang steht die Neckarburg (früher Burg zur Mühle), jetzt
Eigenthum zweier Bauern, in ihrer gegenwärtigen Gestalt ein
stattliches Bauernhaus, das namentlich in seiner steinernen Wen-
deltreppe noch einen Ueberrest des alten Burgbaus bewahrt. Grab-
steine mehrerer Glieder der adligen Familie der Spengler „von
und zu Neckarburg,“ die lange hier saßen, befinden sich im Chor
der Kirche in Neckar-Tenzlingen von den Jahren 1550 – 1614.

  Neckar-Tenzlingen kommt, und zwar als Tuntzlingen, am frü-
hesten um 1100 vor im Hirschauer Dotationsbuch (Cod. Hirsaug.
S. 36, 47 ed. Stuttg.). Hier schenkten um dieselbe Zeit diesem
Kloster zwei Huben Diemo von Sachsenheim und seine Söhne Hugo
und Gerlach (ib.39); Adelbert von Tenzlingen und sein Sohn
Bernger erscheinen, nicht viel später, unter den Wohlthätern des
gleichen Klosters (ib 58). Im Jahr 1295, März 24., verglich sich
Kloster Hirschau mit Ludewicus et Ulricus fratres dicti de Mol-
lendino nominati de Rieht (s. hienach) wegen der Besitzungen in
Neckar-Tenzlingen, der Mühle u.s.w. (Arch.-Urk.). Noch im Jahr
1500 erscheint das genannte Kloster im Besitze hiesiger Güter; im
Jahr 1468, Okt. 10., hatte solches an Graf Ulrich von Württem-
berg die hiesige Mühle, genannt die Ermsmühle, mit Zugehörungen[183]
und 1000 fl. für das Dorf Schaffhausen an der Würm gegeben
(Orig. im Staatsarch.).

  Das Haus, genannt Mühle am Neckar bei der Mühle ge-
legen, wozu auch die Vogtei über Neckar-Tenzlingen gehörte, besaßen
die von Rieth, sammt Wasser, Baumgarten, Wald, Zinsen etc. Es
war Lehen vom Abte von Reichenau (Schmid Landbuch). Von den
Rieth kam das Haus an die Kayb; Benz K. genannt von der Mühl
verkaufte es 1406 sammt Zugehör und Leibeigenen in Rieth an
Graf Eberhard von Württemberg für 1330 Pfd. Heller (Orig. in
Stuttg., Sattlers Topogr.168) und an ebenselben Grafen ver-
äußerte im Jahr 1416, Dec. 6., Ursula, geborne Kayb, Gemahlin
Burkhard Schillings, einen Theil der Vogtei, viele Leibeigene und
Güter zu Tenzlingen, mit Einwilligung ihrer Söhne (Gabelk., Satt-
ler a.a.O.). Sein Lehen hatte Abt von Reichenau schon
im Jahr 1406 dem Hause Württemberg geeignet (Orig. Urk. in
Stuttg.) welches dasselbe seinerseits den Kayben vergab; im Jahr
1471 aber ließ Graf Ulrich von Württemberg dem Jörg Kayb diesen
Besitz wegnehmen, um damit dessen Schulden zu bezahlen (Schmid
Landbuch, Gabelk).

  Die von Oßweil hatten 1368 und 1398 Güter allhier als Lehen
von Württemberg; Reinhard von Münchingen, dessen Mutter eine
von Oßweil war, erbt davon und verkauft seinen Theil 1484 an
Burkhard Schilliing (Gabelk.).

  Das Dorf war eine Eingehörung des alten Amtes Nürtingen.
Der Pfarrei wird bereits 1295 gedacht. Peter von Rieth verkauft
den Kirchensatz, den er von Württemberg zu Lehen trägt, 1365 an
Benz Tettinger, Kirchherrn zu Metzingen; 1448 aber übergibt
Graf Ulrich von Württemberg den Kirchensatz sammt Zehnten
dem Stifte Oberhofen. Dieses erlaubt 1488, daß der Widumhof
in zwei Theile getheilt werde.- Rugger und Rudolph von
Breitenstein verkaufen Unserer Frauen Altar einige hiesige Güter.
Das Kloster Hirschau besaß 2 Höfe; einige weitere Rechte waren
mit dem Lehen Neurieth verbunden.- Am 8. Juni 1588 war ein
großes Gewässer, das einige Häuser wegriß; 1609 herrschte die Pest.
- Ueber das Geschlecht der v. Rieth zur Mühle s. Altenrieth;
Der Kaufbrief von 1406 führt auf: „den Bomgarten dabei, item
ein guter schöner, weiter Bomgarten ligt auch am Neckar.“
Herr der Burg ist schon 1363 Benz Kayb. Württemberg verkauft
sie 1440 um 200 Pfd. Heller an Wilhelm Dürner von Dürnau;
wie sie später wieder an die Kayb kam, ist unbekannt. Vermuth-
lich wurde die Burg im Mai 1525 durch die Bauern verbrannt
(Martens a.a.O. S. 229). - Bevor Graf Eberhard den Ludwig
Württemberger mit der Hälfte von „Hamatweiler“ belehnte,[184]
verkaufte er 1487 an die Gemeinde Neckar-Tenzlingen die Aecker
und Wiesen, welche dazu gehörten, um 2400 Pfd. Heller (Stein-
hofer III.446).

  Das zu dem freiherrlich von Thump-Neuburg`schen Ritte-
gut Unter-Boihingen gehörige, neusteuerbare Hofgut (Mannlehen)
Hammetweil liegt ½ Stunde südlich von Neckar-Tenzlingen auf
der linken Neckarseite, und hat eine eigene Markung von 643 4/8
Morgen, wovon aber 60 Morgen Weinberge (die schöne Rainer-
halde, deren Erzeugniß vor den Weinen der Umgegend den Vorzug
erhält) und 46 Morgen Wiesen in Privatbesitz sind. Das Gut
enthält eine Pächterwohnung mit Oekonomiegebäuden, 13 6/8 Morgen
Gärten und Länder, 104 Morgen Aecker, 25 6/8 Morgen Wiesen
63 Morgen Weiden und 296 Morgen Laubwald, den sogenannten
Rainerwald, einen Distrikt von vorzüglich schönem Bestande. Da-
zu kommen noch 4 1/8 Morgen Aecker und 9 1/8 Morgen Wiesen auf
Neckar-Tenzlinger Markung. Auf der Markung ist ein bedeutender,
einem Privaten gehöriger Mühlsteinbruch.

  Von der Burg Hammetweil ist nichts mehr zu sehen. Das
gutsherrliche Schlößchen ist 1821 abgebrochen worden.

  Herbordus de Hametweiler erscheint im Jahr 1290 (Sulger I.
244); den 21. Jan. 1436 wird Hammetweil die Burg dem Hause
Württemberg zu Lehen aufgetragen von Hans von Tachenhausen
(Scheffer 46); aber 1441 verkaufte er sie an Wilhelm Zimmern.
Von den Zimmern gelangte sie durch Heirath der Wittwe Hein-
richs von Zimmern im Jahr 1461 an Wolf Schilling, 1479 kam
sie aber an die Zimmern zurück. Nach dem Tode Georgs und
Heinrichs fiel die Hälfte mit Gütern in Holzgerlingen an Würt-
temberg heim, die andere Hälfte sammt dem Maierhof dabei be-
hielt ihre Schwester und verkaufte sie für 400 Pfd. Heller an Mech-
thild von Oesterreich, welche Johann von Kaltenthal damit be-
lehnte. Im Jahr 1488 gab Graf Eberhard im Bart das Schloß
seinem Spurius Ludwig Württemberger mit Gütern in Holzger-
lingen zu Lehen, von ihm kam es an Hans von Karpfen; dessen
Söhne Hans und Eberhard verkauften Hammetweil für 4000 Pfd.
Heller an Johann von Ringingen 1533, dieser an Hans Ulrich
von Warthausen 1535, dessen Wittwe Agnes es ihrem Bruder
Martin von Degenfeld überläßt, welcher es 1542 an Konrad Thumb
verkauft. Seitdem bleibt es bei dessen Familie, welche auch die
österreichische Hälfte von Hammetweil ursprünglich als Kunkel-
lehen von Oesterreich (Arch. Urk. von 1692) erhielt.


  * Beachtung scheint eine vorzüglich gute Töpfererde zu verdienen,
welche vor einigen Jahrzehnten als eigener Handelsartikel nach Urach,
Neuffen etc. verführt worden, jetzt aber weniger mehr bekannt ist.