Ortsbeschreibung von Oberensingen 1848 PDF-Logo

aus der Oberamtsbeschreibung von Nürtingen

Seite 209 bis 212
[209]

23. Ober-Ensingen,

evangelisches Pfarrdorf, Gemeinde III.Cl. mit 829 Einwohnern (dar-
unter 1 katholischer), ½ Stunde nordöstlich von Nürtingen an der
Aich und an der Straße von Nürtingen nach Stuttgart und Eß-
lingen, Sitz eines Revierförsters. Ober-Ensingen hat eine ziemlich
milde, aber durch die Ueberschwemmungen der Aich sehr gefährdete
Lage. Die Felder, deren verhältnißmäßig wenige sind, liegen zer-
streut und zum Theil sehr uneben; der Boden ist bisweilen leicht
und sandig, meistens aber schwer mit vorschlagendem Lehm. Brod-
früchte werden nicht zureichend erzeugt; von sonstigen Boden-Er-
trägnissen sind Gespinnstpflanzen, besonders Hanf, und neuerlich
auch Rauhkarden zu nennen. Der Wieswachs ist vergleichungsweise
wichtiger und von besonderer Güte. Ackerpreise 200- 600 fl.
Wiesenpreise 300-500 fl. Der Weinbau hat hier eine Dauer
von kaum 100 Jahren erreicht und nie eine namhafte Ausdehnung
gewonnen. Durch den Abraum und Schutt, der aus den Stein-
brüchen seit Jahrhunderten weggeschafft und aufgethürmt wurde,
waren nach und nach die (schon auf der Karte sichtbaren) Grub-
berge entstanden, die man um 1750 anfing mit Reben zu be-
pflanzen. Da aber die Erfolge selten günstig waren, so zog man
es neuerlich vor, die Weinberge mit ganz unbedeutenden Aus-
nahmen zum Kleebau und zur Obstzucht zu benützen. Letztere er-
weitert und verbessert sich sehr. Pferde werden etwas mehr als
in den meisten Nachbarorten gehalten und zur Feldarbeit verwen-
det. Der Rindviehstand ist nach Haltung und Zucht dem mittel-
mäßigen beizuzählen. Die Schafzucht war früher weit beträcht-
licher als jetzt; sie ertägt 175 fl. Pacht in die Communkasse.
Geflügel wird viel gehalten.

  Historische Erwähnung verdient der hiesige Seidenbau (s. o.
S. 81). Wichtig waren schon in älteren Zeiten und sind noch immer
die berühmten hiesigen Werk- und Mühl-Steinbrüche (s. S. 54).
Gegenwärtig sind deren fünf im Bau. Es bricht weiter oben an
den Thalwandungen ein feiner Sandstein, der zu Quadern dient,
auch bisweilen zu Wetzsteinen verarbeitet wird. Der tiefer liegende[210]
rauhe und sich sehr verhärtende Sandstein gibt vortreffliche Mühl-
steine, die in großer Menge gebrochen, hier behauen und nach ver-
schiedenen Gegenden, besonders aber nach Oberschwaben, Bayern,
in die Schweiz und ins Oesterreichische ausgeführt werden. Man
rechnet, daß jährlich, wenn die Witterung das Geschäft begünstigt,
gegen 200 Stück Mühlsteine gebrochen und 1000-1500 Wagen
Bausteine, Marksteine, Tröge etc. verkauft werden können. Einer
der besten dieser Steinbrüche liegt übrigens schon auf der Mar-
kung Hardt und ist Staatseigenthum, aber an Ober-Ensinger
Privaten verpachtet. Gute Hafnererde findet sich in der Nähe
der Steingruben, auch Streusand kommt zum auswärtigen Ver-
kauf.

  Der Ort zählt neben einigen Wohlhabenden viele Arme, die
bei dem Mangel an Grundbesitz an den Arbeitsverdienst in der
nahen Stadt und Taglohnen in den Steinbrüchen gewiesen sind.
Denn seit Rösler schrieb (Beiträge etc. III., 140): „Aecker und Wie-
sen sind für die Inwohnerschaft hinlänglich,“ haben sich die Ver-
hältnisse sehr geändert; während 1786 der Ort 374 Seelen zählte,
leben jetzt deren 829 hier. Die Weber, dann die Maurer und
Steinhauer machen das zahlreichste Gewerbe aus. Es sind hier 3
Schildwirthe, eine sehr frequente Mahlmühle, eine Hanfreibe,
eine neu angelegte Säg- und Oel-, eine neu eingerichtete Oel-
und Gyps- Mühle und ein Gemeinde-Backhaus. Die Gemeinde
hat einigen Grundbesitz, namentlich einen Laubwald in gutem
Stand. Sämmtliche Zehnten bezieht der Staat. Zehntfrei und
bloß staatsteuerpfichtig sind 53, ¾ Morgen Aecker, Wiesen und
Länder, zum (innern) Schloßgut gehörig. Das Fischrecht in der
Aich gehört Privaten.

  Den hiesigen Armen machte die verwittwete Hofmarschallin
Caroline Freifrau Waldner von Freundstein-Coligny, geb. Freiin
von Vietinghof, welche eine Reihe von Jahren im hiesigen Schlöß-
chen wohnte (+1845 in Homburg auf der Höhe), eine Stiftung
von 1200 fl. (W. Jahrbücher 1846, Heft I. S. 83.)

  Das Dorf ist in der Ausmündung des Aichthales eben gelegen
und nur auf der Nordseite an die jähen Grubberge und an die
steilen, mit Obstbäumen bewaldeten Höhen angelehnt, etwas weit-
läufig gebaut und von Nürtingen her freundlich sich ankündigend.
Die Pfarrkirche, zugleich Mutterkirche von Hardt und Zitzishausen,
ein altes, kleines, unansehnliches Gebäude, hat 1727 eine Haupt-
reparatur erfahren. Die Baulast trägt observanzmäßig, da der
Heilige unvermöglich ist, der letztere nur zu 1/3, zu 1/3 die Ge-
meinde und zu 1/3 die Gemeinden Hardt und Zitzishausen. Bis
1723 war die Parochie ein Filial des Diakons in Nürtingen.[211]
(Binder 732, Günzler, Nürtinger Spital, S. 65). Der Hospital
dotirte in dem genannten Jahr eine eigene Pfarrstelle und richtete
eine Pfarrwohnung ein, wie derselbe noch jetzt Eigenthümer des
Pfarrhauses ist. Das Patronat aber ist 1811 an den Landesherrn
übergegangen. Der Begräbnißplatz umgibt die Kirche. Das Rath-
haus ist alt, das Schulhaus aber neu und schön gelegen. In der
Schule, an welcher ein Lehrer und ein Gehülfe unterrichten, sind
bis jetzt noch die Kinder von Hardt gewiesen. Eine steinerne Brücke
führt über die Aich.

  Ober-Ensingen hatte zwei Schlößchen, das sogenante äußere,
gegen Nürtingen und das innere. Jenes war früher in den Hän-
den verschiedener adeliger Besitzer (im 17ten Jahrhundert der
Herren von Gaisberg), wurde aber vor ungefähr 30 Jahren in
ein angenehm gelegenes Privatwohnhaus mit Garten umgeschaffen.
Das innere Schlößchen steht am nordöstlichen Ende des Ortes in
einem ziemlich großen Garten mit einer schönen Aussicht gegen
Nürtingen. Es gehörte den Herren von Neuhausen, und wurde
1640 an Michael von Grün, Obervogt in Kirchheim, verkauft, von
welchem es in verschiedene andere Hände kam. Längere Zeit war
es Privatgut des Herzogs Karl. Bis unlängst war es im Besitz
den nun verstorbenen Freiherrn Heyer von Rosenfeld. 1558 hatte
es laut einer im Schloß befindlichen Inschrift Wilhelm von Neu-
hausen wieder aufbauen lassen.

  Ganz untergegangen aber ist die alte Burg, die ihre Stelle
auf der Nordseite über dem Orte hatte, wo noch jetzt die Burg-
gärten daran erinnern. Oestlich daneben stand eine Capelle.
Ueber diese nördlich vom Dorf gelegene Höhe zog sich die
Römerstraße nach Köngen, weiterhin gegen Unter-Ensingen
unter dem Namen “der grasige Weg“ verfolgbar. In den Stein-
brüchen, wo er vorüberführt, fand man Münzen, Thongefäße und
Holzkohlen in Grabkammern, auch angeblich einen Mammuths-
knochen. (Mittheilung des Herrn Hofdomänenrath v. Gok.)
Ob Adalbertus de Ensingen, welcher mit seiner Gemahlin
Adelheid um 1160 für eine lebenslängliche Präbende Kloster Hirschau
mit 52 Mark Silbers beschenkt (Cod. Hirsaug. S.93, ed. Stuttg.),
nach Ober-, Unter-Ensingen oder nach Ensingen, OA. Vaihingen
gehörte, bleibt zweifelhaft.

  Im Jahr 1438 verkaufen Hans und Ulrich v. Sperberseck Gebrüder
Burgstall und Dorf Ober-Ensingen mit Zugehör, Vogtei und Vogt-
recht für 3000 fl. in Gold der Gräfin Henriette von Württemberg,
welche zu Nürtingen ihren Wittwensitz hatte; diese gibt diesen Besitz
ihrer Tochter, Gräfin von Katzenellenbogen auf Lebensdauer. Unter
Herzog Christoph bekam Wilhelm von Newhausen, Hofrichter, den [212]
hiesigen Burgstall zu Lehen und ließ ihn von Grund auf neu auf-
bauen (Mütschelin, Landbuch).

  Das Dorf ist der Geburtsort des sehr verdienten Obersten Karl
August Friedrich v. Duttenhofer, königl. württembergischen
Ober-Wasserbaudirektors (geb. 3. Dec. 1758, gest. 16. Dec. 1836, s.
Elben, schwäb. Chronik 1837, S 657 u. f.). Es gehörte ins alte Amt
und ins Gericht Nürtingen. Einer durch Württemberg zu verleihen-
den Caplanei wird 1526 gedacht; auch der große Zehnte stand der
Herrschaft zu. In Beziehung auf die bereits erwähnten Steinbrüche
verdient noch angeführt zu werden, daß bereits im Jahr 1475 geklagt
wird, daß den bei Echterdingen gegrabenen Mühlsteinen das Zeichen
der hiesigen Mühlsteine eingehauen werde (Sattler III. Forts. 127).
Herzog Eberhard gab daher 1496 eine Ordnung, wonach Schultheiß
und Gericht zwei geschworene Schauer zu bestellen hatten „über
alle Gruben des Fürstenthums, welche bei ihren Eiden in allen
Gruben die Mühlsteine beschauen und rechtfertigen und was sie
nicht kaufmannsgut erfinden, von Stund an zerschlagen“ sollen.
Ein Herr Rudolf von Ensingen, welcher wohl hieher gehört, wird
noch 1319 als Zeuge in einer Denkendorfer Urkunde genannt. Ueber
die alte Burg über dem Orte enthalten die Lagerbücher von 1526
keine Spuren; dagegen erwähnen sie des von Württemberg ver-
liehenen Burggrabens im Dorf (also der innern Burg) und des
Württemberg zuständigen Burggartens mit Burgscheuer vor dem
Dorf. Die innere Burg kam (s.oben) 1438 von den Sperberseck
an Württemberg und brannte nach Bericht von 1535 bald darauf
ab. Hans von Sperberseck suchte 1558 die Belehnung bei Herzog
Christoph nach, starb aber vor derselben, worauf der oben gedachte
v. Neuhausen von ihm belehnt wurde. Nach der Inschrift im Hofe
baute er 1558 die Burg von Grund wieder auf; sie sagt: Castel-
lum hoc ad Achae et Nicri confluentiam, imperii rom. limitem
(ut fertur) antiquitus conditum, incendioque ante... hominum
memoriam devastatum et vetustate collapsum. Rudolph von Neu-
hausen sagte aber 1643 dieses Lehen auf, worauf dasselbe sein
Schwager Michael von Grün empfing. Als Kunkellehen kam es
1691 an Johann Ferdinand von Zelion und 1736 an die Tochter
eines Oberstlieutenants Gerhard Ferber. Im Jahr 1799 war es
im Besitze der verwittweten Herzogin Francisca von Württemberg.
Die äußere Burg baute Heinrich Schickard um 1600-1620 wieder
auf (s. Lebensbeschr. 1821, S19). Wir finden sie im Besitze des
1619 verstorbenen Bernhard Moser von Filseck; Veronica von Gült-
lingen, die Wittwe seines Enkels, Christoph Ludwig, war noch
1690 im Besitze. Ums Jahr 1775 findet sich Karl August, Frei-
herr v. Palm, auf Ober-Ensingen.