Ortsbeschreibung von Raidwangen 1848 PDF-Logo

aus der Oberamtsbeschreibung von Nürtingen

Seite 213 bis 214
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24. Raidwangen,

Dorf, Gemeinde III.Cl. mit 385 evangelischen und 1 katholischen
Einwohnern, Filial von Neckarhausen, 1 1/8 Stunde südwestlich von
Nürtingen (Forstamt Urach). Von den obersten Häusern des hoch
gelegenen Oertchens senkt sich die verhältnißmäßig ausgedehnte
Markung nach alles Seiten ab, theils wellenförmig, theils nach
dem Thal des Neckars und der Authmuth abfallend, von welcher
sie in Süd, West und Nord umflossen ist. Die somit meistens
unebenen Felder haben einen vorherrschend schweren, zum größern
Theil fruchtbaren, mitunter aber auch sehr geringen Boden. Der
Dinkel-und besonders Haber-Bau ist erheblich und erlaubt Ausfuhr,
vornehmlich nach der Metzinger Schranne. Auch Flachs wird ziem-
lich viel gewonnen. Dem Feldbesitz entspricht ein ziemlich ausge-
dehntes, aber nicht besonders ergiebiges Wiesenareal. Ackerpreise
50-400 fl. Wiesenpreise 50- 350 fl. Der Weinbau hat längst auf-
gehört; die Obstzucht ist zwar im Zunehmen, doch nur mehr
Nebensache. Der Haupterwerbszweig nächst dem Fruchtbau ist die
Rindviehzucht, die sich verbessert und erweitert; der Feldbau wird
nur mit Ochsen getrieben, daher in solchen ziemlich viel hin und
her gehandelt wird. Die örtliche Schafhaltung ist ganz im Ab-
nehmen. Die Bienenzucht dagegen gehört zu den beträchtlichern
im Oberamt; man verwerthet die Stöcke in Linsenhofen und Nür-
tingen, wo die hiesigen Stöcke um ihre Schwere willen gesucht
sind. Holz fehlt.

  Die Einwohner, ein besonders großer und kräftiger Menschen-
schlag, mehr eigentlich Bauern und daher auch treuer dem Her-
gebrachten und der guten alten Sitte, stellen sich zum Theil unter
die besser Bemittelten des Bezirks, wiewohl es auch nicht an Ar-
men fehlt, zu welchen namentlich die Weber gehören. Schild-
wirthschaften bestehen zwei. Die Commune bezieht ein Pachtgeld
aus der Schafweide von jährlich 600 fl. Sämmtliche Zehnten
bezieht der Staat; von mehreren Gütern aber wird statt des Zehn-
ten nur die 15te oder 20ste Garbe gereicht. Dem Hospital Nür-
tingen zinsen einige Lehengüter.

  Das Dorf ist ziemlich weitläufig am Ostabhang einer Anhöhe
hinangebaut und theilt sich in das obere und untere. Kirche und
Begräbnißplatz sind nicht vorhanden, indem der Ort mit Neckar-
hausen 1507 von der Parochie Nürtingen getrennt und der Kirche
zweiten Ortes (½ Stunde von hier) als Filial zugewiesen worden
ist. Für die Schule (mit 1 Lehrer) ist 1833 ein kleines Haus erbaut
worden. Auch besteht ein Rathhaus und ein gemeinschaftliches[214]
Back- und Wasch-Haus. Die Zehntscheuer mitten im Dorf gehört
dem Staat. An guten Verbindungswegen fehlt es.

  Seinen Hof zu Raidewanc schenkte im Jahr 1236 Graf
Berthold von Urach dem Kloster Bebenhausen (Gerbert, Hist. nigr.
silv. II., 12). Im Jahr 1426 verkaufen Heinzlin und Wölflin
Schilling, Gebrüder, für 200 fl. an Ulrich Schilling in Nürtingen
einen Hof und einen Theil des Zehnten, welchen letzeren dieser
im Jahr 1436 für 210 Pfd. an die Pfarrei Frickenhausen verkauft
(Gabelk).

  Der Ort gehörte in`s alte Amt und in`s Gericht Nürtingen.
Auch die Frauenklöster Kirchheim und Pfullingen waren hier be-
gütert. Das letzere kauft 1397 von Conrad Züttelmann einige
Gülten, und das erstere 1422 von Conrad von Habsberg ein Gut.
S. auch Kohlberg.

  Eine kleine Viertelstunde südwestlich vom Dorf lag der abge-
gangene Ort Heudorf; von Zeit zu Zeit werden hier Bausteine,
Ziegel, Staffeln etc. ausgegraben.