Ortsbeschreibung von Unterensingen 1848 PDF-Logo

aus der Oberamtsbeschreibung von Nürtingen

Seite 220 bis 222
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28. Unter-Ensingen,

evangelisches Pfarrdorf, Gemeinde III. Cl. nebst einer einzeln stehen-
den Mühle, mit 970 Einwohnern (darunter 3 kath. Filialisten von
Unter-Boihingen), 1 3/8 Stunden nördlich von Nürtingen am linken
Neckarufer und an der Vicinalstraße nach Köngen und Eßlingen.
- Theils im Neckarthal, theils auf der flachen Abdachung der
Filderhöhen breitet sich die Markung dieser Gemeinde aus, deren
Boden von sehr verschiedener Beschaffenheit, theils schwer und
mitunter steinig, aber ergiebig für Dinkel, Gerste und Sommer-
weizen, theils aber auch leicht, kalt und naß ist und vieler Besse-
rung bedarf. Im Ganzen ist der Feldertrag nicht sonderlich hoch;
es gibt Güter, die fast gar keinen Werth haben. Gleichwohl wird,
da Unter-Ensingen eine ansehnliche Ackerfläche besitzt, Getreide für
den auswärtigen Verkauf gewonnen. Hanf wird ziemlich viel,
weniger Flachs gebaut. Die Wiesen sind (mit Ausnahme der
nassen einmädigen und der mit Kies bedeckten) gut und ergiebig,
liefern aber nur den örtlichen Bedarf. Der höchste Preis eines
Morgen Ackers und eines Morgen Wiese ist 800 fl., der niedrigste
80 fl. Der Weinbau ist sehr gering und ganz in Abnahme, da
man die Weinberge mit mehr Vortheil zum Kleebau und für die
Obstkultur benützt. Diese letztere, besonders die Kernobstzucht ist,
wenngleich häufig durch die Fröste und Nebel des Neckarthals ge-
fährdet, sehr ausgedehnt und ertragreich. Schon vor etwa 50
Jahren hat die Communalverwaltung (der damalige thätige Schul-
theiß Siegle) den großen Gemeindewasen am Neckar mit Obst-
bäumen bepflanzt, die noch immer vermehrt werden. Diese Baum-
anlage ist eine der schönsten, die man sehen kann. Sie kann in guten
Jahren 8000 Simri, meisetens Aepfel ertragen, welche theils für
Rechnung der Gemeindekasse verkauft, theils unter die Bürger
vertheilt werden.- Hinsichtlich der Rindviehzucht gilt das vorhin
bei Unter-Boihingen bemerkte; es wird ziemlich viel Vieh aus-
wärts verkauft. Schafhalter gibt es einige, doch ist dieser Zweig
der Viehzucht auch hier im Abnahme. Pferdezucht beschäftigt einige
der vermöglicheren Bürger.

  Die Einwohner, ein wohlgebildeter und kräftiger Menschen-
schlag, werden als arbeitsam und sehr mäßig geschildert. * Der[221]
Branntweingenuß ist hier weniger allgemein, als in so vielen an-
dern Orten. Die ökonomischen Umstände gehören zu den besseren
im Oberamte; es gibt einige vermögliche Güterbesitzer, aber doch
auch gegen dreißig arme Familien. Die Gewerbtreibenden sind
meistens Lohnweber und wandernde Maurer; auch wird einiger
Kleinhandel mit Viktualien getrieben. Unter den Nebenbeschäfti-
gungen der Armen nennt man das Sammeln der in der Gegend
häufigen Camillen für die Apotheken. Der Ort hat zwei Schild-
wirthschaften, eine oberhalb des Dorfes am Neckar gelegene schöne
und große Mahlmühle und ein Gemeindebackhaus.

  Dem Gemeindevermögen haben die oben erwähnten Neckar-
bauten der letzten Jahre sehr empfindliche Opfer auferlegt. Neben
dem Schafweide-Pacht (jährlich 200 fl.) bezieht die Commune aus
dem Gras- und Obst-Ertrag des Wasen eine namhafte Revenue, in
guten Jahren von etwa 1500 fl. Auch besitzt sie einen schönen
Laubwald von 220 Morgen und ungefähr 5 Morgen Nadelholz.
Das Stiftungsvermögen ist durch die Wiederherstellung des Thurms,
gegen succesive Erstattung von der Gemeinde, stark angegriffen
worden. Die Armenstiftungen sind mit einem Capital von 2550 fl.,
als Antheil an der Nürtinger Hospital-Stiftung, bereichert wor-
den.- Sämmtliche Zehnten, und zwar den kleinen für die 1835
verwandelte Pfarrstelle, bezieht der Staat. Ein Theil des Groß-
zehnten rührt von dem Kloster Adelberg. Das Kloster Salmanns-
weiler hatte hier drittheilige Höfe, deren Güter noch jetzt zur Hälfte
der Meßnerei (Im Betrag von 70 fl.) zehnten. Das Fischrecht ist
Eigenthum der hiesigen Fischer und zinst dem Staat.

  Das Dorf hat eine schöne Lage, theils im Thal der Straße
nach Köngen entlang, theils an und auf einer Anhöhe, von wel-
cher eine reizende Aussicht sich darbietet, ist ziemlich weitläufig
gebaut und hat neben manchen armseligen Wohnungen auch ein-
zelne stattliche, von Wohlhabenheit zeugende Häuser. Die öffent-
lichen Gebäude sind sämmtlich hoch gelegen. Die von dem Be-
gräbnißplatz umgebene Kirche ist vielfältig erneuert, namentlich[222]
1793 bis 95, daher in ihrer ursprünglichen Struktur nicht sicher
zu erkennen, was besonders vom Chor gilt. Sie ist etwas zu
klein, hat aber ein gutes Ansehen von Außen, und ist bei ihrer
hohen Lage mit dem ansehnlichen Thurm eine Zierde der Gegend.
Im Jahr 1839 beschädigte ein Blitzstrahl die Kirche und zerschmet-
terte den obern Theil des Thurms, worauf derselbe mit Geschmack
wiederhergestellt wurde. Die Baulast der Kirche ruht auf dem
Ortsheiligen; die des Pfarrhauses, das durch seine schöne Lage
sich auszeichnet, trägt der Staat. Rathhaus und Schulhaus sind
in gutem Stande. Die Schule wird von einem Lehrer und einem
Lehrgehülfen versehen. Eine Industrieschule besteht, eine Klein-
kinderbewahranstalt aber hat noch keinen Anklang gefunden. Der
Ort wird durch 4 Röhrbrunnen mit gutem Trinkwasser reichlich
versogt.

  Kloster Salmannsweiler erkaufte Güter in Ensingen und Kön-
gen am 8. Juni 1294 von Hugo de Grubingin dictus de Austria,
einem Dienstmann Graf Alberts von Löwenstein (natürlichen
Sohnes des K. Rudolfs). Adelberg hatte hier einen Klosterhof,
der in der Nähe der Kirche stand; auf seinen Grundmauern stehen
jetzt Bauernwohnungen. - Die Römerstraße nach Köngen zog ¼
Stunde westlich am Ort vorüber; sie ist zum Theil noch an der
Benennung Heerweg und Eßlinger Weg kenntlich. In ihrer Nähe
hat man schon Scherben, Münzen etc. gefunden.- In den Lager-
büchern kommt auch die Benennung „auf der Burg“ vor. Es ist
aber von Spuren einer solchen nichts bekannt.

  Am 9. (19.) August 1693 wurde der Ort von den Franzosen
angezündet.

  Unter-Ensingen gehörte ins alte Amt Nürtingen. Kirche und
Kirchensatz übergibt 1450 Graf Ulrich von Württemberg. dem Kloster
Adelberg, das von ihm 1465 auch einen Zehntantheil erhält
(Sattler III und IV. Forts. 222.54.Beil.22.). Wernher von Neid-
lingen verkauft 1357 an Kraft von Lichteneck einen Hof; 1408 ver-
kauft Konrad Züttelmann mehrere Gülten an seine Schwester
Agathe im Kloster Kirchheim u. T. und 1414 tritt das Kloster
Lorch an das zu Adelberg einige Lehen und Güter ab.

  *Aus Unter-Ensingen gebürtig war Ulrich Fehleisen, der letzte
eigentliche Propst des Klosters zum heil. Grab in Denkendorf (+1560),
ein einsichtsvoller und wohlgesinnter Mann, der, als er die Klostergüter
in Württemberg für ihre stiftungsmäßige Bestimmung nun einmal verloren
sah, den Herzog Christoph (zu überzeugen) vermochte, die Einkünfte derselben wenigstens
theilweise zur Unterhaltung geistlicher Schulen zu verwenden. Sattler,
Herzoge IV., S. 98. Ob ein früherer Denkendorfer Propst, Heinrich
Gutzmann oder Jutzmann (+1477), auch Henricus de Ensingen ge-
nannt, aus Ober- oder Unter-Ensingen war, findet sich nicht aufgezeichnet.
Schmidlin, Beiträge II. S. 49, 53.